Pestizideinsatz in der Landwirtschaft: Folgen und Alternativen
Weltweit werden immer mehr Pestizide in der Landwirtschaft eingesetzt. Dies belastet massiv die Umwelt, gefährdet die Artenvielfalt und schadet der Gesundheit der Menschen. Die Forschung von Folgen und die Suche nach Alternativen schreitet aber voran.
Pestizide sind unterschiedliche chemisch-synthetische Stoffe, die giftig auf unerwünschte Pflanzen (Herbizide), Insekten (Insektizide) oder Pilze (Fungizide) wirken. Sie werden in der Landwirtschaft eingesetzt, um die Ernteausfälle durch schädliche Insekten und Unkräutern zu minimieren. Doch die wissenschaftlichen Erkenntnisse weisen verheerende Folgen des Pestizideinsatzes für die Artenvielfalt, Boden- und Wasserqualität und die menschliche Gesundheit nach.
Trotz der Erkenntnisse werden weltweit jährlich mehr Ackergiften eingesetzt. Zwischen 1990 und 2020 ist die eingesetzte Menge von Pestiziden um etwa 60 Prozent gestiegen, laut den Daten der Welternährungsorganisation. Die globale Erwärmung begünstigt, dass sich Schädlinge ausbreiten und weiterentwickeln, so dass in Zukunft voraussichtlich noch mehr Pestizide eingesetzt werden.
Auch für den Klimawandel hat der Einsatz gravierende Folgen. Die Herstellung und Entsorgung von chemischen Pestiziden, inklusive der Reinigung des Grundwassers zur Trinkwassergewinnung, benötigt viel Energie. Die Input-Herstellung (Düngemittel, Pestizide und Futtermittel) sowie Nachbereitungsprozesse (Verarbeitung, Lagerung, Kühlung und Transport) sind laut Einschätzungen des Landberichtes vom Weltklimarat (IPCC) für etwa 5-10 Prozent der gesamten menschenverursachten Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Folgen für die Menschen und Artenvielfalt
Die Liste von negativen Folgen des Pestizideinsatzes ist lang. Die Spuren von Pestiziden lassen sich laut dem Pestizidatlas 2022 der Heinrich-Böll-Stiftung und des BUND nicht nur in Lebensmitteln und Getränken, sondern auch in der Luft, im Grundwasser, im Gras auf Spielplätzen und sogar im menschlichen Urin nachweisen. Das liegt daran, dass die Giftstoffe oft nicht auf den Ackerflächen verbleiben, sondern durch Wasser und Wind sehr weit transportiert werden.
Dem Pestizidatlas zufolge erkranken jährlich weltweit rund 385 Millionen Menschen an Vergiftungen durch Pestizide. Bis zu 11.000 Menschen sterben an den Folgen einer Pestizidvergiftung. Wissenschaftliche Studien bringen außerdem erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen, Diabetes, Asthma, Allergien und Störungen der Hormondrüsen in Verbindung mit Pestiziden.
Auch die Artenvielfalt ist durch Pestizide stark bedroht. Die Ackergifte schaden oft Nützlingen wie Wildbienen, Schmetterlingen und Käfern. 2017 hat der entomologische Verein Krefeld nachgewiesen, dass die Gesamtmasse an Fluginsekten in Deutschland seit dem Ende der 1980er Jahre um mehr als 75 Prozent abgenommen hat. Bei den Wildbienen sind bereits jetzt über die Hälfte der Arten in ihrem Bestand gefährdet. Dass Insekten selbst in Naturschutzgebieten nicht geschützt sind, hat eine im April 2023 veröffentlichte Studie des Naturschutzbund Deutschland (NABU) nachgewiesen.
Pestizide in Gewässern
Auch Gewässer bleiben nicht verschont: In mehr als einem Fünftel der europäischen Seen und Flüsse hat die EU-Umweltagentur EEA Pestizide in erhöhter Konzentration gemessen. In Deutschland hat ein Forschungsteam unter Leitung des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) zwischen 2018 und 2019 die Pestizidbelastungen in über 100 kleineren Flüssen und Bächen untersucht. Das Ergebnis: in über 80 Prozent der Gewässer waren die Grenzwerte für Pestizide überschritten. In 18 Prozent waren die Grenzwerte für mehr als zehn Pestizide gleichzeitig überschritten.
Im Verlauf der Untersuchungen haben die Wissenschaftler:innen festgestellt, dass die Ergebnisse der Proben in Kleingewässern direkt nach Regenfällen eine bis zu 10-fach höhere Pestizidbelastung aufweisen. Außerdem konnten die Forscher:innen nachweisen, dass Pestizide auf die in den Kleingewässern lebenden wirbellosen Tierarten bereits in viel niedrigeren Konzentrationen wirken als bisher in der Pestizid-Zulassung angenommen.
Infobox: Citizen Science-Projekt Flow
Belastbare Daten zum ökologischen Zustand und zur Pestizidbelastung von Kleingewässern in Deutschland sind bislang lückenhaft. Das im Jahr 2020 gestartete Citizen Science-Projekt FLOW hat sich zum Ziel gesetzt, mit der Hilfe von Freiwilligenteams diese Datenlücke zu schließen.
In der dritten Feldsaison von April bis Ende Juni 2023 untersuchen die geschulten Gruppen eine ausgewählte Probestelle an einem Bach in ihrer Umgebung. Gemeinsam mit den Wissenschaftler:innen bewerten sie die Gewässerstruktur und chemisch-physikalischen Eigenschaften wie Nitrat-, Phosphat- und Sauerstoffgehalt. Außerdem untersuchen sie die Lebensgemeinschaft der wirbellosen Tiere am Boden des Bachs. Daraus können direkte Rückschlüsse auf den ökologischen Zustand des Gewässers und die Pestizidbelastung gezogen werden.
FLOW ist ein Projekt des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Suche nach Alternativen und Lösungen
Mehrere Studien belegen, dass Alternativen zu Pestiziden in der Landwirtschaft bereits vorhanden sind. So verwendet die ökologische Landwirtschaft keine chemisch-synthetischen Pestizide und verursacht weniger Treibhausgase als konventionelle Systeme. Außerdem kann man in der konventionellen Landwirtschaft Nützlinge durch Mischkulturen und Blühstreifen fördern und Unkraut mechanisch und thermisch behandeln. Diese Optionen können, laut einer vom BUND beauftragten Studie, Pestizide effektiv ersetzen.
Darüber hinaus können ökonomische Instrumente wie Fördermittel oder Steuern dazu beitragen, dass die Landwirt:innen Pestizide sparsamer verwenden und vermehrt alternative Pflanzenschutzmaßnahmen umsetzen. 2021 haben die UFZ-Wissenschaftler:innen ein Konzept zur Pestizidabgabe entwickelt, mit deren Hilfe die Menge an verkauften Pestiziden sowie die mit Pestiziden behandelbare Fläche in Deutschland halbiert werden könnten. In anderen EU-Ländern wie in Dänemark und Schweden, haben sich besondere Steuern bzw. Abgaben auf Pestizideinsatz als effektiv erwiesen.