Vom 7. bis 19. Dezember 2022 wurde beim Biodiversitätsgipfel der Vereinten Nationen in Montreal um Arten- und Naturschutz sowie Ausgaben in Milliardenhöhe diskutiert. Am beschlossenen Kunming-Montreal-Abkommen hängt auch der Klimaschutz. Wir liefern Hintergrund zur Konferenz, ihrer Geschichte und den Ergebnissen.
Bis 2030 das Artensterben stoppen, 30 Prozent der Erdoberfläche zu Naturschutzzonen erklären, den Einsatz von Pestiziden um zwei Drittel verringern und jährlich 500 Milliarden Dollar weniger in umweltschädliche Subventionen stecken: Diese und weitere Ziele standen im Entwurf für das internationale Rahmenabkommen zur Biodiversität, das 196 Staaten Ende Dezember in Montreal beschlossen haben.
So sollen Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschützt und die Biodiversität erhalten werden, die Menschheit in Einklang mit der Natur gebracht und deren Zerstörung aufgehalten werden. Die beteiligten Staaten trafen sich nach pandemiebedingten Verschiebungen zur 15. Vertragsstaatenkonferenz. Was geschah auf dem Weg zum Biodiversitätsabkommen? Unser Zeitstrahl zeigt die wichtigsten Stationen.
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Nach knapp zweiwöchigen Verhandlungen beschloss die Weltgemeinschaft in Kanada ein neues Rahmenabkommen zur Bewahrung der biologischen Vielfalt auf der Erde. Es enthält 23 Ziele, die wichtig für Natur- und Klimaschutz sind. Die Frage ist nur, welche davon auch wirklich erreicht werden. Mehr zu den Ergebnissen hier >
Wie unsere Wissenschaftler:innen die Erfolgsaussichten vorab einschätzten, lesen Sie in unserem Hintergrund-Artikel zum Start der COP 15. Artikel lesen >
Wieso ist die Biodiversitäts-Konferenz so wichtig fürs Klima?
Das haben wir Wissenschaftler:innen aus den Helmholtz-Zentren gefragt. Der Erhalt und der Wiederaufbau der Biodiversität ist wie eine Versicherung gegen Schäden und gegen Wetterextreme, erklärte uns Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum Umweltforschung - UFZ im Interview zur COP 15. Für eine nachhaltige Zukunft heißt es Biodiversitäts- und Klimaschutz zusammen denken, da sind sich unsere Forschenden einig.
„Biodiversität und Klima sind eng verknüpft. Viele Ökosysteme, in denen Kohlenstoff gespeichert ist, sind sehr divers. Werden tropische Wälder, Savannen oder Feuchtgebiete zerstört, setzt das Kohlendioxid frei – also ein Treibhausgas. Wenn wir diese Ökosysteme schützen oder wiederherstellen, ist das ein Mehrwert fürs Klima und für die Biodiversität. Allerdings können wir nicht erwarten, dass uns die Ökosysteme vor dem Klimawandel bewahren. Die schnelle und massive Reduktion von Treibhausgasemissionen hat oberste Priorität.“
„Für eine sichere Zukunft müssen wir beide Krisen, also Klimawandel und Artensterben, zusammendenken und angehen. Das hat der gemeinsame Workshop-Bericht des Weltklimarats (IPCC) und des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) klar herausgearbeitet. So binden etwa biodiverse Wälder nachhaltig Kohlenstoff und sind widerstandsfähiger gegenüber Wetterextremen. Und beim Anbau von Biomasse zur nachhaltigen Energiegewinnung sollten wir Monokulturen vermeiden, um die Artenvielfalt zu schützen."
„Genetische Diversität ist die Grundlage jeglicher Züchtung und ein internationales Schutzgut. Durch moderne Phänotypisierung können wir die strukturelle und funktionelle Diversität von Pflanzen charakterisieren – dies ist die Voraussetzung zur Anpassung von Pflanzen an Trockenheit, Hitze, an Starkregen und Hagel, aber auch für Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten, die sich mit dem Klimawandel ausbreiten.“
„Biodiversität und Klima gehören so untrennbar zusammen, dass keine der beiden Krisen ohne die andere zu lösen ist. Wirksamer Umwelt- und Artenschutz, die Wiederherstellung zerstörter Lebensräume sowie eine schonende und nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen unserer Erde sind eine Grundvoraussetzung dafür, den Klimawandel nachhaltig zu begrenzen und eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen zu sichern. Das geht nur mit ambitionierten Emissionsreduktionen und mithilfe intakter Ökosysteme.
Ein wichtiger Schritt wäre, 30 bis 50 Prozent aller Land- und Meeresflächen der Natur zu überlassen und diese nur noch nachhaltig zu nutzen. Die Natur bietet uns aber auch viele Klimalösungen, etwa in der Landwirtschaft und in Städten. Wir müssen den Pflanzen und Tieren nur den Raum und die Umgebungsbedingungen lassen, die sie für ein produktives Leben, für eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel und zum Erbringen der ökosystemaren Leistungen benötigen.“
"Der Anbau von Kulturpflanzen steht unter dem Druck sich verändernder klimatischer Bedingungen und wird dies auch in Zukunft tun. Leider gibt es nicht die eine 'Zauberpflanze', die mit allen Umweltbedingungen zurechtkommen würde. Bei den meisten wichtigen Kulturpflanzen, zum Beispiel Weizen, Mais oder Tomaten, gibt es jedoch eine große genetische und phänotypische Vielfalt. Diese 'kultivierte Biodiversität' ist von größter Bedeutung für die Zukunft der Lebensmittelproduktion."
„Wir können der Erde beim Wandel zuschauen, und was wir sehen beunruhigt, denn Arten und Lebensräume verschwinden rasant. Um einzugreifen, dem Verlust von Vielfalt gezielt entgegenzuwirken, müssen wir verstehen wie komplexe Systeme funktionieren und deren raum-zeitliche Dynamiken abbilden. Noch können wir aktiv handeln und unsere Ökosysteme gestalten. Dafür brauchen wir aber fundierte Kenntnisse über Zusammenhänge und Funktionsweisen im System Erde.“
„Um das Schwinden unserer Lebensgrundlagen aufzuhalten, darf die Erhaltung der biologischen Vielfalt kein Unterkapitel der Umweltpolitik oder der Entwicklungshilfe bleiben. Sie muss in staatlichen Regulierungen, Fördermassnahmen oder Aufbauhilfen aber auch in privaten Krediten, Investments und Standards umfassend berücksichtigt werden. Es wird viele Milliarden Euro kosten, die neuen Biodiversitätsziele umzusetzen. Wichtig wird sein, welche konkreten Maßnahmen und Initiativen dann umgesetzt werden. Eines der größten Potenziale liegt gerade im Nichtausgeben von Geld – etwa für schädliche Subventionen in Bau und Infrastruktur, Entwicklungshilfe oder Agrarpolitik."
Wie das Bodenleben dem Klima hilft
Der Boden ist wie ein kleiner Regenwald, denn dort leben viele Arten an einem Standort. In diesem mikroskopischen Dschungel tummeln sich etwa Springschwänze, Milben und Insekten und jede Menge Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze. Über das gemeinsame Nahrungsnetz, das diese Lebewesen bilden, speichern sie Kohlenstoff aus dem CO2, das die Pflanzen aus der Luft aufgenommen haben. Einen Teil atmen sie wieder aus, ein anderer wird aber auch im Boden gebunden und hält so klimaschädliche Treibhausgase aus unserer Atmosphäre fern. Wird der Boden aber zerstört, gibt er mehr CO2 ab, als er aufnimmt, und wir haben ein Problem. Wie können wir mit diesem Ökosystem zusammen arbeiten, statt wie bisher dagegen? Klaus Russell-Wells erklärt es in unserem Film und spricht dafür mit Martin Schädler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Nicolas Brüggemann vom Forschungszentrum Jülich.