Wie der Klimawandel unseren Umgang mit Wasser verändert
Trinkwasser fürs Duschen, Waschen und die Toilettenspülung: Wie wir derzeit in Deutschland Wasser verwenden, ist Luxus – und dürfte sich mit dem Klimawandel ändern. Was braucht es, um die kostbare Ressource Wasser weiter für uns zu erhalten?
Wer in Deutschland einen Wasserhahn aufdreht, bekommt frisches Trinkwasser direkt aus der Leitung – jederzeit. Das könnte sich mit dem Klimawandel ändern, warnt Prof. Dr. Dietrich Borchardt. Der Leiter des Themenbereichs Wasserressourcen und Umwelt am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) rät, die Infrastruktur in Deutschland als Ganzes neu zu denken und anzupassen. Das würde nicht nur die Wasserversorgung sichern und Schäden durch Dürre und Hochwasser vorbeugen, sondern auch Gesundheit, Umwelt und Lebensqualität zugutekommen.
In Trockenjahren wird das Wasser knapp
Der Großteil des deutschen Trinkwassers wird aus dem Grundwasser geschöpft. Schon jetzt kommen die Wasserversorger an ihre Entnahme-Grenzen. Mehrere aufeinanderfolgende Trockenjahre mit wenig Niederschlägen haben die Böden stark ausgetrocknet und Grundwasserstände absinken lassen. Um Grundwasser nachhaltig zu nutzen, „dürfen wir nur so viel entnehmen, wie sich natürlich nachbildet“, sagt Dietrich Borchardt.
Auch auf andere Quellen, aus denen sich Trinkwasser speist, wirkt sich der Klimawandel aus. Ein Teil des Wassers wird aus dem Oberflächenwasser von Talsperren und als Uferfiltrat entlang von Flüssen entnommen und gereinigt. Durch den Klimawandel werden die Trockenphasen, in denen Flüsse nur wenig Wasser tragen, länger. Plötzliche, heftige Starkregenfälle lassen selbst kleine Bäche über die Ufer treten. Deutschlands alte Talsperren müssen anders gesteuert und vielleicht sogar umgebaut werden, und giftige Algenblüten gefährden ihre Wasserqualität.
Trinkwasser aus dem Wasserhahn – ein Privileg
Dass in Deutschland derzeit noch fast überall jederzeit Trinkwasser direkt aus dem Hahn kommt, ist global gesehen ein Privileg. An vielen Orten der Welt ist das Leitungswasser mit Chemikalien und Krankheitserregern verschmutzt, es zu trinken wäre riskant. In Deutschland wird nur in Ausnahmefällen vom Konsum abgeraten – etwa wenn es durch Bakterien oder Mikroorganismen verunreinigt ist oder erhöhte Gehalte von Metallen aufweist, die auf den Fließwegen des Wassers zum Trinkwasserbrunnen aus den Gesteinen natürlich herausgelöst werden.
Allerdings trinken die Deutschen das kostbare Wasser nicht nur, sondern nutzen es auch für viele andere Zwecke, wie Putzen, Duschen, Baden und den Betrieb von Spül- und Waschmaschinen. In Deutschland werden durchschnittlich 123 Liter Leitungswasser pro Tag und Kopf verbraucht. Vor drei Jahrzehnten waren es noch fast 150 Liter. „Viel mehr können wir nicht reduzieren,“ sagt Dietrich Borchardt, „außer die Leute duschen nur noch einmal die Woche und bauen sich eine Trockentoilette“.
Wasser recyceln: Grau- versus Schwarzwasser
Bei unserem derzeitigen Lebensstil lässt sich also kaum noch Wasser sparen. Doch wie wäre es, wenn man das Wasser recyceln und mehrmals verwenden könnte? Für die Toilettenspülung bräuchte es kein ganz sauberes Wasser, trotzdem wird es in den meisten Haushalten dafür benutzt. Das frische Trinkwasser wird dabei so verschmutzt, dass es nur noch als sogenanntes ‚Schwarzwasser‘ im Klärwerk gereinigt werden kann. Wenn man duscht oder sich die Hände wäscht, bleibt das Wasser dagegen relativ sauber. Das Potenzial dieses ‘Grauwassers‘ ist groß: Es ließe sich reinigen und etwa fürs Rasensprengen, für die Waschmaschine oder die Toilette wiederverwenden. Dafür braucht es zwei parallele Leitungssysteme im Haus, eins für das schmutzige Schwarzwasser und das andere für das sauberere Grauwasser.
Das leicht verschmutzte Wasser könnte man direkt im Haus aufbereiten. „Das ist nicht aufwendiger als eine Heizungsanlage im Keller,“ erklärt Dietrich Borchardt. Nur müssen die beiden getrennten Leitungssysteme und die Reinigungs-Anlage erstmal installiert sein. In Neubauten sei das leicht installierbar, in Pilotprojekten bereits in ganzen Vierteln umgesetzt. „In alten Häusern wird es aber schwieriger, weil man entweder nachträglich getrennte Leitungen einziehen oder grundlegend sanieren müsste“, räumt Dietrich Borchardt ein.
Wie weit so ein Wasser-Recycling gehen kann, zeigen Beispiele aus der Industrie. In der besonders wasserintensiven Papierindustrie wird das Prozesswasser heutzutage schon bis zu zehnmal aufbereitet und wiederverwendet. Würden die Menschen auch in Privathaushalten ihr Wasser mehrmals verwenden, würden sie deutlich weniger verbrauchen. Sie würden dann weniger Wasser in die Kanalisation schicken, dafür wäre dieses Abwasser schmutziger. Die Kapazität der Kanalisationen und Klärwerke müsste dafür angepasst werden. „Nachhaltiges Wassermanagement muss im ganzen System gedacht werden“, erklärt Dietrich Borchardt, „vom Regentropfen bis zum Wasserhahn und wieder zurück.“
Regenwasser und Grünanlagen
Das Regenwasser ist eine Ressource, die in Deutschland noch viel zu wenig genutzt wird. „Zurzeit heißt es bei Regen, das Wasser soll so schnell wie möglich raus aus der Stadt“, erklärt Borchardt. Das müsse sich ändern, da dieses Prinzip sowohl in der Stadt als auch außerhalb Probleme verursacht. In heißen Sommern trocknet die Stadt aus und wird zur Hitzeinsel, wo sich die Wärme staut. Auf den mit Asphalt, Beton und Stein versiegelten Böden kann es bei starkem Regen leicht zu Überschwemmungen kommen. Und wenn das Regenwasser über schmutzige Straßen ins Umland abfließt, vermischt es sich mit Schadstoffen und belastet so die Ökosysteme der Gewässer.
Was kann ich tun?
Gehen Sie bewusst und sorgsam mit Wasser um. Auch wenn der Wasserpreis, den Sie zahlen, in Deutschland günstig ist, handelt es sich um eine kostbare und immer knapper werdende Ressource.
- Nutzen Sie nur so viel, wie Sie wirklich brauchen – egal ob Sie Rasen sprengen oder duschen
- Werden Sie 'wassermündig': Machen Sie sich schlau, woher Ihr Wasser kommt
Wichtig: Neben dem Verbrauch, den Sie direkt sehen können, gibt es auch noch einen versteckten Wasserfußabdruck. Bei der Produktion vieler Produkte werden große Mengen an Wasser verbraucht. Je nach Konsumverhalten kommen mehrere tausend Liter pro Tag und Person zusammen. Wenn Sie also einkaufen:
- Vermeiden Sie Produkte, die einen sehr großen ‚Wasserfußabdruck‘ haben
Tragen Sie zur Wasserqualität bei:
- Geben Sie keine Chemikalien, Lacke, Medikamentenreste oder ähnliches in den Abfluss
- Vermeiden Sie Produkte, deren Produktion Wasser (etwa durch Pestizide) verschmutzt
Hier forscht Helmholtz:
Wie trocken ist der Boden heute und wie entwickelt sich die Bodenfeuchte in den kommenden Tagen? Der Wasser-Monitor des Forschungszentrums Jülich zeigt es.
Mit dem Klimawandel werden Starkregenfälle intensiver. Wieviel Schadstoffe gelangen dabei in die Kanalisationen und Gewässer?
Wie lassen sich Talsperren nachhaltiger bewirtschaften? Das erforschen Helmholtz-Wissenschaftler*innen im TERENO-Projekt an der Rappbode-Talsperre.
Wie beeinflusst die Wasserqualität am Ausgang von Klärwerken die Biodiversität von Fließgewässern? Das UFZ liefert wichtige Informationen, etwa an Behörden.
Dabei ist Regenwasser direkt aus der Wolke sehr sauber. Würde es gesammelt, zum Beispiel in großen Speicherbecken unter der Erde, könnte man damit Bäume, Gärten und Parks bewässern. Das würde auch das Stadtklima verbessern. Grünflächen mit lebendigen, gesunden Ökosystemen im Boden sind wiederum eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Regenwasser besser einsickern kann und wie in einem Schwamm in der Erde gehalten wird. Bei Starkregen fließt dann weniger Wasser die Bäche und Flüsse hinab, so dass sie weniger leicht über die Ufer treten und Schäden an Straßen und Gebäuden vorgebeugt wird. Ist es viele Tage hintereinander heiß, verdunstet das Wasser und kühlt die Luft. Der Temperaturunterschied zwischen Stadt und Land wird kleiner.
Mehr Gesundheit und Lebensqualität
Dietrich Borchardt ist sich sicher: Wenn es in den nächsten Jahrzehnten erfolgreich gelingt, Häuser, Städte und die Infrastruktur des Wassersystems umzubauen, wäre das ein Gewinn nicht nur für die Versorgung mit Trinkwasser und die Sicherheit flussnaher Siedlungen. Die Menschen, die in einer mit Wasser angereicherten „Schwammstadt“ leben würden, gewännen auch an Gesundheit und an Lebensqualität. Es würden weniger Menschen bei Hitzewellen sterben. Gut gereinigtes Wasser aus den Klärwerken würde die Biodiversität der Gewässer schützen und üble Gerüche aus Fließgewässern oder Seen vermeiden. Mehr Grünflächen und Bäume böten Schatten und Raum für Freizeit, und die Innenstädte würden an Attraktivität gewinnen. Sie würden zu grünen, angenehm temperierten Lebensräumen mit sauberen Seen und Flüssen.
Eine Vision schwebt Dietrich Borchardt da besonders vor: „Stellen Sie sich vor, Sie könnten am Berliner Stadtschloss in die Spree springen und einfach losschwimmen!“ Was in der deutschen Hauptstadt noch utopisch klingt, ist in Städten wie Stockholm und Kopenhagen schon Wirklichkeit: Das Revival der Fluss-Stadtbäder. Am Ende des gigantischen Umbauprojekts von Leitungen, Rohren, Talsperren und Klärwerken, das nun bevorsteht, gibt es also einiges zu gewinnen: Mehr Sicherheit, Gesundheit, Lebensqualität und – vielleicht – urbanen Badespaß.