Eine Strategie fürs Wasser
Die jüngsten Dürresommer zeigen es: Der Klimawandel könnte auch in Deutschland die Frage aufwerfen, wer für welche Zwecke noch wie viel Wasser nutzen darf. Diese und weitere Herausforderungen behandelt die neue Nationale Wasserstrategie, deren Entwurf das Bundesumweltministerium jetzt vorgestellt hat.
Die Dürren der jüngsten Zeit haben für den Gewässerforscher Dietrich Borchardt eine klare Botschaft. „Das Jahr 2018 ist nichts anderes als ein 1,5-Grad-Jahr gewesen“, sagt der Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Magdeburg. Die Klimaerwärmung wird in Deutschland also bereits sichtbar, wie sich beispielhaft an immer häufiger ausgedörrten Böden in Sommerhalbjahren zeigt.
Anfang Juni leuchtet der Dürremonitor des UFZ in vielen deutschen Regionen wieder gelb bis tiefrot. Das heißt, bis in 1,80 Meter Tiefe ist der Boden trocken oder es herrscht sogar außergewöhnliche Dürre. Abwechselnd mit Starkregen und Fluten werden Trockenperioden künftig auch Deutschland vor große Herausforderungen stellen. Vor allem gilt es, die vorhandenen Wasserressourcen in diesen Zeiten unter allen Beteiligten sachgerecht zu verteilen. Wie viel Wasser muss für die Trinkwasserversorgung zurückgehalten werden? Wie viel soll etwa für die Landwirtschaft oder die Industrie zur Verfügung stehen? Das Bundesumweltministerium hat deshalb am Dienstag erstmals den Entwurf einer Nationalen Wasserstrategie vorgelegt.
„Mein Ziel ist, dass auch in 30 Jahren sauberes Wasser immer und überall in Deutschland ausreichend verfügbar ist. Damit das gelingt, müssen Grundwasser, Seen, Bäche und Flüsse in Deutschland sauberer werden. Auch brauchen Infrastruktur, Landnutzung und Stadtentwicklung eine bessere Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Wasser soll nicht zum begrenzenden Faktor für regionale Entwicklung werden“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in Berlin.
Entwurf des Bundesumweltministeriums
Karten zur Trockenheit
Standpunkt von Dietrich Borchardt
Nachhaltiger Umgang mit Wasser
Blauer Engel
Tipps der Verbraucherzentrale
Zu den wichtigsten Inhalten der Nationalen Wasserstrategie gehören:
- Bund und Länder wollen Empfehlungen und Kriterien entwickeln, wer im Fall von regionaler Wasserknappheit vorrangig Wasser nutzen darf. Besonders wichtig sind aus Sicht des Umweltministeriums die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser und das Mindestmaß an Wasser, das Tiere und Pflanzen zum Überleben brauchen.
- Wasserinfrastruktur an den Klimawandel anpassen: Ermittelt werden soll zum Beispiel der künftige Bedarf an Fernleitungen für Wasser.
- Gewässer sauberer und gesünder machen: Kläranlagen soll eine weitere Reinigungsstufe finanziert werden und ein Abwasser-Monitoring soll zur Pandemievorsorge beitragen.
Der Erstellung der Nationalen Wasserstrategie ging eine mehr als zweijährige Öffentlichkeitsbeteiligung voraus. Der Nationale Wasserdialog mit Fachleuten aus Wasserwirtschaft, Wissenschaft, Praxis, Verwaltung und verschiedenen Interessenvertretungen wurde durch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung fachlich begleitet. In diesem Jahr folgte der Nationale Bürgerinnen und Bürger Dialog Wasser.
In Zukunft geht es also einerseits verstärkt um einen sparsameren und vorsorgenden Umgang mit dem kostbaren Element. Andererseits könnte der bewusstere Umgang mit Wasser einen neuen Schub an technischen Entwicklungen auslösen. „Wassermanagement bedeutet ein riesiges Innovationspotenzial für die Landwirtschaft, in der Umwelttechnologie sowie in der Industrie“, ist UFZ-Forscher Borchardt überzeugt. Ein Beispiel ist die Autoproduktion. Pro Fahrzeug werden mehrere Kubikmeter Frischwasser verbraucht, zum Beispiel für das Lackieren. Mit Klär- und Filtertechnologien können einige Produktionsstätten den Wasserverbrauch bereits deutlich reduzieren, durch Wiederverwendung schließlich geschlossene Kreisläufe gebildet werden. „Ein wirklich umweltfreundliches Auto wird nicht nur klimaneutral produziert, sondern auch wasser- und gewässerverträglich“, sagt Borchardt.
Innovationspotenziale gibt es auch in der Landwirtschaft – etwa eine schonendere Bodenbearbeitung mit Vermeidung schädlicher Stoffeinträge und effiziente Bewässerung. Solche Systeme spielen bisher in Deutschland kaum eine Rolle, was sich mit dem Klimawandel aber ändern dürfte. „Bis 2050 könnten bereits 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche künstliche Bewässerung benötigen“, sagt Gewässerforscher Borchardt. „Bei gleichzeitig knapper werdenden Ressourcen brauchen wir also Bewässerungstechnologien, die das Wasser so effizient wie möglich in die Böden und zu den Pflanzen bringen.“
Die Landwirtschaft ist aber auch eine der Hauptursachen für eine weitere Herausforderung im Umgang mit Wasser: die Sicherung und Steigerung der Wasserqualität. Im Einzugsgebiet von landwirtschaftlichen Flächen überschreiten laut Umweltbundesamt 27 Prozent der Messstellen den Schwellenwert für Nitrat im Grundwasser. Diese Stickstoffverbindung gelangt hauptsächlich durch Dünger und aus der Gülle in den Untergrund. Abhilfe würde die Verringerung und Verlagerung von Viehbeständen mit Begrenzung der Düngemengen auf ein wasserverträgliches Maß schaffen. „Mit der Qualität der Wasservorräte hat Deutschland insgesamt ein noch größeres Problem als mit der Quantität“, stellt Helmholtz-Experte Borchardt fest.
Der Klimawandel wird wohl auch die Qualität des Wassers weiter verschlechtern. Ein Beispiel sind Talsperren, die unter anderem als Trinkwasserspeicher dienen. „Bei Wärme und erhöhten Nährstoffbelastungen blühen in Talsperren oder auch Badeseen mehr Cyanobakterien, die toxische Stoffe ans Wasser abgeben“, erklärt Borchardt.
Deshalb wird es umso wichtiger zu verhindern, dass problematische Stoffe ins Wasser gelangen. Stickstoff und Phosphor zum Beispiel lassen in Gewässern auch Cyanobakterien schneller wachsen. Weitere problematische Stoffe sind Pestizide, Arzneimittel, Plastikpartikel und Chemikalien. Nutzungskonflikte rund ums Wasser werden sich deshalb auch entschärfen lassen, indem weniger Schadstoffe ins Grundwasser gelangen, weil dann insgesamt mehr Wasservorräte genutzt werden können.
Gerade bei der Sicherung der Wasserqualität können Verbraucherinnen und Verbraucher selbst tatkräftig mithelfen, ohne ihren direkten Wasserverbrauch allzu stark einschränken zu müssen. Das Umweltsiegel „Blauer Engel“ kennzeichnet Waschmittel, Duschgele und andere Alltagsprodukte, die verträglicher für Gewässer sind als übliche Marken. Wie abgelaufene Medikamente und andere Abfälle gewässergerecht entsorgt werden, hat die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zusammengestellt. Und wenn das Wasser phasenweise doch nicht zum Blumengießen reichen sollte, gibt es beim BUND Tipps zum Wassersparen in Haus und Garten.