Denise Müller-Dum und Jens Kube

Ein Kreislauf für Kunststoffe

Müllberge und Umweltverschmutzung – Plastikmüll gilt als äußerst problematisch. Weil Kunststoffe aber aus unserem Alltag kaum wegzudenken sind, suchen Forschende nach Möglichkeiten für einen nachhaltigen Umgang damit.

Der Gebrauch von Plastik ist symptomatisch für den weltweit viel zu sorglosen Umgang mit Ressourcen: Aus wertvollen Rohstoffen und mit großem Aufwand hergestellt, landen Kunststoffprodukte nach nur einmaliger Nutzung in der Tonne – zumindest ist das der Fall bei Verpackungen, in denen der Großteil der Kunststoffe zum Einsatz kommt. Laut einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden global nur neun Prozent des Plastikmülls recycelt, also als Werkstoff wiederverwertet.Der Rest wird verbrannt, landet auf Deponien oder in der Umwelt – mit Folgen für Tiere und Menschen.

„Kunststoffe sind nicht per se schlecht – der Werkstoff als solcher hat ein gewaltiges materielles Potential“, sagt Hartmut Pflaum, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT und Geschäftsstellenleiter des Fraunhofer-Exzellenzclusters Circular Plastics Economy. Kunststoffe sind günstig, vielseitig und leicht – was in vielen Fällen den Kosten- und Energieaufwand für Transporte reduziert. Problematisch ist aber, dass der Werkstoff aus Erdöl hergestellt wird – und in die Umwelt gelangt, wo er Jahrzehnte bis Jahrhunderte überdauert. Zudem führt das Verbrennen nicht wiederverwertbarer Kunststoffe zum Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid. „Als die Kunststoffe in den 50er- und 60er-Jahren entwickelt wurden, hat sich niemand um deren Lebensende gekümmert – und das ist jetzt unser Problem“, sagt Nick Wierckx, Biotechnologe am Forschungszentrum Jülich. Für ihn hat die Wiederverwertbarkeit von Kunststoffen Priorität, „weil wir damit das Material im Kreislauf halten.“

Bioplastik:

Bioplastik ist ein vielseitig verwendeter Begriff, der manchmal für Verwirrung sorgt. Einerseits bezeichnet er biobasierten Materialien, ohne eine Auskunft über deren Rezyklierbarkeit zu beinhalten. Andererseits sind damit oft biologisch abbaubare Kunststoffe gemeint, also Plastiksorten, die Mikroorganismen in der Natur zerlegen können – ob sie aus Erdöl oder aus Biomasse hergestellt wurden, spielt dabei keine Rolle.

Der Wandel von der linearen Plastikwirtschaft – herstellen, nutzen, entsorgen – zu einer Kreislaufwirtschaft, in der Materialien lange wiederverwendet werden, ist auch Ziel der Kunststoffstrategie der Europäischen Union (EU). Diese sieht unter anderem vor, dass bis 2030 alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt recyclingfähig sind. Bislang ist das nicht der Fall. Plastik ist nämlich nicht gleich Plastik: So lässt sich PET (Polyethylenterephthalat), das in Flaschen verwendet und separat gesammelt wird, gut zerkleinern, schmelzen und zu neuen Produkten formen. Bei anderen Kunststoffen wie PVC (Polyvinylchlorid) ist dies schwieriger. Besonders schlecht wiederverwerten lassen sich Verpackungen, die aus einer Kunststoffkombination bestehen. „Man merkt manchmal gar nicht, dass eine Verpackungsfolie aus elf Schichten bestehen kann“, sagt UMSICHT-Forscher Hartmut Pflaum. „Diese sogenannten Mehrschicht-Kunststoffe lassen sich extrem schlecht bis gar nicht recyceln.“

Pflaums sieht zwei Ansätze, das Problem zu lösen: Einerseits auf der Produktseite, wo „weniger Kunststoffsorten, weniger Verbundverpackungen und weniger, aber passgenauere chemische Zusätze“ zum Einsatz kommen sollten. Andererseits beschäftigen sich Forschende damit, wie sich das Recycling optimieren lässt. Sie untersuchen zum Beispiel, wie sich die Kunststoffe, die sich klassischen Aufbereitungsmethoden widersetzen, doch noch knacken lassen.

Um diese sogenannte Mischfraktion in ihre Bestandteile zu zerlegen, kommen chemische Verfahren infrage. „Am Ende erhalte ich keinen festen Kunststoff, sondern Moleküle, aus denen ich neue Kunststoffe synthetisieren kann“, erklärt Pflaum. Die Arbeitsgruppe von Nick Wierckx am Forschungszentrum Jülich forscht zu biotechnologischen Verfahren und setzt Bakterien auf gemischte Kunststoffe an. „Das ist wirklich die Kraft der Biologie, dass man mit so einem gemischten Stoffstrom umgehen kann“, so Wierckx.

Allerdings sind weder die energieaufwändigen chemischen noch die biotechnologischen Verfahren bislang in großem Maßstab kommerziell im Einsatz. Wierckx warnt, die aktuelle Kosten-Nutzen-Rechnung sei nicht ganz richtig, denn: „Die erdölbasierten Kunststoffe sind zu billig – die Klimafolgen und die Verschmutzung sind in ihrem Preis nicht inbegriffen.“ Zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe gehört seiner Auffassung nach auch, neue, aus biologischen Bausteinen hergestellte Materialien zu entwickeln, „und zwar direkt so, dass sie auch rezyklierbar sind.“ Für den Fall, dass Plastik doch mal in der Umwelt lande, sei außerdem biologische Abbaubarkeit von Vorteil – also dass das Materials in der Natur verrotten kann.

Wie schnell sich eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe umsetzen lässt, hängt aber nicht nur von technischen Lösungen ab, sondern auch von politischen. „Die Regulatorik greift noch nicht so stark ein im Bereich des Produktdesigns“, sagt Hartmut Pflaum. Der Weg führe hier über sogenannte Rezyklat-Einsatzquoten, also Vorschriften, wie viel recyceltes Material in einem Produkt benutzt werden soll. „Man sagt also nicht: Eine bestimmte Menge Abfall muss in das Recycling gehen. Sondern man sagt: Eine bestimmte Menge Rezyklat muss in einem Neuprodukt enthalten sein.“ Dazu müssten Recycling und Produktdesign allerdings enger zusammenarbeiten – wie das gelingen kann, auch dazu wird aktuell noch geforscht.

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