UN starten Verhandlungen für globales Plastikabkommen
Die Weltgemeinschaft ist einen entscheidenden Schritt dabei vorangekommen, ihr Plastikproblem zu lösen. Die fünfte Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) erteilte am 2. März 2022 ein Mandat zum Verhandeln eines umfassenden globalen Plastikabkommens. In zwei Jahren soll es stehen. Helmholtz-Expert:innen begrüßen die Entscheidung.
Für Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist es „der nächste zentrale Baustein nach dem Pariser Klimaabkommen, um unseren Planeten und eine lebenswerte Umwelt zu erhalten“: Im kenianischen Nairobi verhandelten diese Woche Expert:innen aus aller Welt auf der fünften Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA5.2) über ein globales Abkommen zu Plastik. Am Mittwoch wurde das Mandat von 175 Staaten verabschiedet.
„Noch in diesem Jahr wird eine zwischenstaatliche Verhandlungsgruppe zusammentreten und in einer dichten Folge von Treffen versuchen, bis UNEA-6 ein globales Abkommen zu Meeresmüll und Plastik vorzulegen,“ sagte Lemke und äußerte sich optimistisch, dass dies gelingen wird. Damit könnte das Abkommen noch 2024 in Kraft treten. Ein Zieldatum für die plastikfreie Umwelt gibt es aber noch nicht.
Gesamten Plastik-Lebenszyklus verbindlich regulieren
Deutschland hatte im Vorfeld eng mit Peru, Ruanda, der Europäischen Union und weiteren Ländern kooperiert und die von Peru und Ruanda eingereichte Resolution unterstützt. Dieser Vorschlag sah vor, die negativen Folgen von Plastikprodukten und darin enthaltenen Chemikalien nicht nur für die Meere, sondern alle Bereiche der Umwelt und entlang des gesamten Lebenszyklus von Plastik – von der Produktion über den Konsum bis zur Entsorgung – zu betrachten und verbindlich zu regulieren. Über 60 Staaten stützten die Resolution, deren Kernpunkte sich durchsetzten.
Gestrichen wurde zwar ein Passus zu Chemikalien, wie die New York Times berichtete. Am Tag zuvor jedoch hatte die UN-Umweltversammlung ein wissenschaftspolitisches Gremium zu Chemikalien und Müll auf den Weg gebracht. Das IPCP (International Panel on Chemical Pollution) soll das Wissen zu diesem Umweltproblem ähnlich wie der Weltklimarat zusammenfassen und bewerten.
Einige Vertreter:innen der Chemie- und Plastikindustrie hatten hinter den Kulissen versucht, die Verhandlungen zu beeinflussen, um Einschränkungen der Produktion zu verhindern, wie eine investigative Reuters-Recherche eine Woche vor den Verhandlungen offenlegte. Mit dem jetzigen Mandat könnte nun der gesamte Prozess in den Blick genommen werden, nicht nur die Entsorgung, sondern auch die Plastikproduktion, das Verpackungsdesign oder Wegwerfprodukte.
Wissenschaftler:innen hatten im Vorfeld starkes Abkommen gefordert
Für ein starkes Plastikabkommen hatten sich im Vorfeld der Verhandlungen auch zahlreiche Wissenschaftler:innen und Nichtregierungsorganisationen ausgesprochen und die Bedeutung für Klima, Biodiversität und menschliche Gesundheit hervorgehoben. 2015 trug die Plastikindustrie 4,5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen bei, Tendenz steigend. Vor allem die Verwendung von Energie aus Kohle fällt dabei stark ins Gewicht.
Auch Wissenschaftler:innen der Helmholtz-Zentren, die zu den Auswirkungen von Plastik für Umwelt und Menschen forschen, begrüßen die Entscheidung der Vereinten Nationen.
Melanie Bergmann, Alfred-Wegener Institut (AWI)
„Das verabschiedete Mandat zur Verhandlung eines Plastikabkommens macht Hoffnung, da es multilateral den gesamten Lebenszyklus von Plastik in den Blick nimmt und rechtsverbindlich sein soll. Denn nur so können die negativen Folgen für Ökosysteme, Gesundheit und insbesondere unser Klima wirksam bekämpft werden. Jetzt beginnt aber erst die eigentliche Arbeit, damit das Abkommen wissenschaftsbasiert bleibt und am Ende nicht verwässert wird und z.B. auch der Einsatz erneuerbarer Energien bei der Plastik-Herstellung festgeschrieben wird.“
Dr. Melanie Bergmann ist Meeresbiologin und Plastikforscherin am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).
Ralf Ebinghaus, Helmholtz-Zentrum Hereon
„Mikroplastik-Partikel enthalten je nach Größe und Verweildauer in der Umwelt einen mannigfaltigen Mix an Chemikalien. Darunter sind solche, die bei der Herstellung absichtlich zugesetzt worden sind und andere, die sich am Partikel später anreichern. In beiden Fällen können dies auch für den Menschen gesundheitsschädigende Stoffe sein, die wie mit einem ‚Trojanischen Pferd‘ in den menschlichen Organismus gelangen können. Ich halte es für zentral, dass solchen Risiken in einem globalen Plastikabkommen oder im Rahmen der Einrichtung eines wissenschaftspolitischen Gremiums zu Chemikalien und Mikroplastik Rechnung getragen wird.“
Prof. Ralf Ebinghaus ist Leiter des Hereon Instituts für Umweltchemie des Küstenraumes und forscht zu Vorkommen, Verbleib und Bedeutung von langlebigen und bioakkumulierbaren Stoffen in Küsten-, Meeres- und Polargebieten.
Katrin Wendt-Potthoff, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
"Mikroplastik lässt sich mittlerweile nicht nur in Meeren, sondern auch in Binnengewässern wie Talsperren und Staubereichen finden, auf deren Gewässergrund sich winzige Plastikteilchen ablagern können. Nicht abschließend geklärt ist bislang, wie sich diese Ablagerungen langfristig auf die Ökosysteme auswirken. Um den potentiellen Risiken vorzubeugen, ist es deshalb wichtig, dass jetzt global auf politischer Ebene gehandelt wird."
Dr. Katrin Wendt-Potthoff ist Mikrobiologin am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ und Sprecherin des World Water Quality Alliance (WWQA) workstreams „plastic“.
Erik Borchert, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
„Es ist ermutigend, dass nun der gesamte Lebenszyklus von Plastik kritisch in den Blick genommen wird. Über 70 Jahre ungehinderte Umweltverschmutzung durch Produktion und Entsorgung müssen ein Ende finden. Außerdem muss die Produktion von Plastik mit seinen Zusatzstoffen transparenter gemacht und besser reguliert werden. Viele chemische Zusatzstoffe in Plastik können gesundheitliche Auswirkungen haben, doch bisher gibt es keine Kennzeichnungspflicht. Eine sorgfältige Kennzeichnung würde es auch ermöglichen, natürliche mikrobiologische Verfahren zum Plastikabbau zu entwickeln.“
Dr. Erik Borchert ist Mikrobiologe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er untersucht Meeresplastik als Quelle für neue und innovative biotechnologische Strategien im Projekt PLASTISEA und die Gesundheitsgefahren von Plastikadditiven im Projekt P-LEACH.
Dieter Stapf, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
„Das Deponieren und Wegwerfen von Plastik muss dringend gestoppt werden, um Klima und Umwelt zu schützen. Es ist essenziell, dass wir eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe schaffen, die mit dem Sammeln der Abfälle beginnt. Wir forschen daher an Technologien wie dem chemischen Recycling, um nicht nur Verpackungen, sondern künftig vor allem auch die vielen komplexen Kunststoffprodukte recyceln zu können, mit denen wir Gebäude dämmen, Windräder oder Automobile und Elektrogeräte bauen. Ein internationales Plastics Treaty, das den gesamten Lebenszyklus synthetischer Materialen betrachtet, ist dafür ein wichtiger Schritt.“
Prof. Dieter Stapf ist Leiter des Instituts für Technische Chemie am KIT. Er forscht zum Recycling von Kunststoffen.