Klimapolitik 2021: Zeit zu handeln
Das Jahr 2021 könnte ein gutes für die Klimapolitik werden, meint Prof. Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ. Mit Joe Biden werden zum Beispiel die USA einen neuen Weg einschlagen. Aber auch an anderen Stellen könnten internationale Klimabemühungen frischen Wind bekommen.
Herr Schwarze, was steht 2021 klimapolitisch an?
2021 ist definitiv das Jahr der internationalen Verhandlungen. Das Programm ist relativ klar, weil viele Entscheidungen und Meilensteine vom letzten Jahr vertagt wurden. Aber dieses Jahr sind die Aussichten gut, einige wichtige Aufgaben zu lösen, etwa die Umsetzung des Pariser Regelwerks, um die Erwärmung der durchschnittlichen Temperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen.
2020 sollte bereits und 2021 muss endlich das Jahrzehnt des Tuns einläuten und nicht das Jahrzehnt der Bewältigung des Nichtstun. Aber auch hier gilt: Vorsicht! Fragen nach Verantwortlichkeiten für Klimaschäden können ein echtes Minenfeld für die internationale Zusammenarbeit sein. Ich setze ganz stark auf die Wirkung von gesellschaftlichen Bewegungen wie „Fridays for Future“, bei denen das eigene klima- und umweltverträgliche Handeln ganz weit oben auf der Agenda stehen.
Welche Rolle wird dabei die nächste Weltklimakonferenz COP 26 spielen?
Der „Elefant im Raum“ bei den Klimaverhandlungen im November 2021 in Glasgow wird die Aufarbeitung der „Losses and Damages“ sein: Also jener Verluste und Schäden, die unvermeidlich durch den Klimawandel entstehen. Das ist und bleibt ein Brocken für die Staatengemeinschaft. Leider sehe ich am Horizont keine Lösung, die alle Seiten zufriedenstellt. Dafür wird in diesem Jahr das Gewicht auf die Vermeidung neuer Schäden gelegt.
Am 20. Januar wird Joe Biden als 46. Präsident der USA vereidigt. Im Vorfeld hat er schon einige seiner Vorhaben zum Klimaschutz bekräftigt: den Wiedereintritt zum Pariser Weltklimaabkommen, von mehr Ländern ein Bekenntnis zur Klimaneutralität bekommen, in bilateralen Verhandlungen China dazu bewegen, höhere Umweltstandards einzuführen und seine Kohlepolitik zu ändern.
Der Regierungswechsel in den USA kann dazu beitragen, dass das Bekenntnis zur internationalen klimapolitischen Zusammenarbeit, nach einer Phase national-populistischer Abkehr, erneuert und bekräftigt wird. Joe Biden verspricht, auf diplomatischem Weg den Rest der Welt dazu zu drängen, ihre Ambitionen im Klimaschutz drastisch zu erhöhen.
Aber wie realistisch sind Joe Bidens Vorhaben?
Da bin ich leider ziemlich pessimistisch. Seine Ideen und Pläne knüpfen zwar stark an Obamas Politik an. Allerdings haben vier Jahre Donald Trump vieles kaputt gemacht. Die Voraussetzungen heute sind ganz anders als zu Beginn der 2010er Jahre. Sich zu denken: ,Es geht weiter wie in den guten Zeiten unter Obama‘, ist naiv. Bidens Klimaprogramm ist einfach noch nicht in der gegenwärtigen politischen Lage angekommen. Zurzeit sind die USA innenpolitisch zu sehr geschwächt und außenpolitisch zu isoliert, um eine klimapolitische Führungsrolle in der Welt einzunehmen. Das gilt erst recht nach den erschütternden Geschehnissen im und um das Kapitol in der Hauptstadt Washington am vergangenen Mittwoch (6. Januar 2021). Hier eine Brücke zu bauen wird äußerst schwierig und langwierig. Klimapolitisch wird es nur mit einem Programm gelingen, das grüne Zukunftsversprechen für das Land transportiert.
Wie kann es unter diesen Umständen gelingen, so viele Staaten wie möglich dazu bekommen, im Klimaschutz wieder an einem Strang zu ziehen?
Das größte Problem beim internationalen Klimaschutz sind die Trittbrettfahrer. Das sind Länder, die selber keine ernsthaften Anstrengungen betreiben, aber von den positiven Effekten der Länder profitieren, die aktiv in den Klimaschutz investieren.
Um dem entgegenzuwirken, könnte das Modell der „Klimaclubs“ helfen. Die Idee dahinter ist so einfach wie brillant: die Schaffung von Exklusivität. Freiwillige finden sich zusammen und vereinbaren als erstes, wie sie sich vor den Trittbrettfahrern schützen können. Das geht zum Beispiel durch die Schaffung von Handelssanktionen oder Ausgleichszahlungen an den Grenzen, aber auch durch die Verringerung und das Teilen der Kosten des Klimaschutzes.
Wie kann ein solcher Klimaclub aussehen?
Freiwilligkeit ist das tragende Prinzip in einem Klimaclub. Alle Mitglieder müssen aus freien Stücken und eigener Überzeugung teilnehmen. Die ökonomischen Vorteile, die sich für die Mitglieder ergeben, müssen so groß sein, dass es sich für sie lohnt, dem Club beizutreten. Beim Klimaschutz sind das Know-how, Technologien und Standards, günstige Finanzierungsmöglichkeiten und vielleicht auch das wärmende Gefühl, Gutes zu tun.
Der Klimaclub muss eine gewisse Größe haben, um Maßnahmen wie Handlungssanktionen wirksam durchzuführen und eine Sog-Wirkung auf andere zu haben, damit diese dem Club beitreten wollen. Daran ist die Idee bisher immer gescheitert. Aber mit den USA und China wäre ein Club tatsächlich realistisch, denn dann wären die Schwergewichte der Weltwirtschaft beteiligt, die aktuell nicht nur 65 Prozent aller CO2-Emissionen verursachen, sondern auch knapp 63 Prozent aller Waren handeln. Ein Schlüsselpunkt hier ist die Bereitschaft Chinas.
Wo ordnen Sie Klimaclubs in der Klimapolitik ein?
Sie sind ein komplementäres Element zur UN-Klimapolitik. Dieses Ungleichgewicht in der Behandlung von Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern eines Clubs wie G7 oder G20 kann es in einem UN-Kontext nicht geben. Aber wenn beide gut verzahnt sind, greifen sie Hand in Hand, wenn sie schlecht verzahnt sind, blockieren sie sich gegenseitig. Ein Klimaclub böte die Möglichkeit für eine kluge Verbindung von internationaler Klima- und Handelspolitik.
Allerdings erfordert ein Klimaclub auch die breite Unterstützung der Gesellschaft. Wir brauchen ein starkes moralisches Gefühl, dass wir mit Klimaschutz etwas Gutes tun. Und da endet die Wirksamkeit des Clubs. Der Club ist für die, die heute leben. Für einen funktionierenden Klimaschutz müssen wir als Gesellschaft aber jetzt schon Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen übernehmen. Dafür brauchen wir die breite Unterstützung der Zivilgesellschaft und eine Sogwirkung von entstehenden neuen sozialen Normen. Diese moralische Aufgabe kann der Klimaclub nicht lösen.
Wie kann man es schaffen, eine breitere Unterstützung der Öffentlichkeit für den Klimaschutz zu bekommen?
Wir brauchen den Anstoß von außen wie zum Beispiel durch die „Fridays for Future“-Bewegung. Solche Bewegungen müssen weiter aktiv sein, um das Umdenken in der Gesellschaft zu verankern und verbreitern.