Entnahme von CO2 als Baustein der deutschen Klimapolitik
Um die Klimaziele von Paris zu erreichen, müssen die Emissionen von Treibhausgasen massiv reduziert werden. Zusätzlich muss der Atmosphäre bereits ausgestoßenes CO2 wieder entzogen werden. Wissenschaftler:innen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung - UFZ haben Definitionen und Prinzipien zur CO2-Entnahme in einem Papier definiert.
Laut dem jüngsten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC reicht es nicht, den Ausstoß des Kohlendioxids (CO2) zu reduzieren, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Darüber hinaus muss auch bereits ausgestoßenes CO2 der Atmosphäre entnommen werden.
Die Ansätze zur CO2-Entnahme umfassen den Aufbau von natürlichen Kohlenstoffspeichern etwa durch die Wiederaufforstung von Wäldern oder die Wiedervernässung von Mooren, technische Maßnahmen bzw. negative Emissionstechnologien (NETs) oder die Kombination aus beiden Ansätzen.
Mehrere Studien weisen nach, dass technikbasierte Verfahren wie etwa die Abscheidung von CO2 aus Industrieabgasen mit anschließender Speicherung im Untergrund (Carbon Dioxide Capture and Storage, CCS) oder auch die direkte Absaugung von CO2 aus der Luft (englisch Direct Air Capture) sowohl global als auch in Deutschland erforderlich sein werden. Dafür müssen die verschiedenen Ansätze gründlich bewertet und erforscht werden sowie das internationale und nationale Klimarecht entsprechend entwickelt werden. Unsere Vorschläge hierzu haben wir in einem aktuellen Papier dargelegt.
Ergänzende Maßnahme zur Vermeidung von Treibhausgasen
Es ist wichtig, zwischen Maßnahmen zur Vermeidung von CO2 und Maßnahmen zur Entnahme von CO2 politisch und rechtlich klar zu unterscheiden. Die ersten verhindern, dass klimaschädliche Treibhausgase entstehen, und die letzteren machen bereits erzeugtes CO2 unter Einsatz von Energie, Technik oder Eingriffen in die Umwelt lediglich klimaunwirksam. Vor diesem Hintergrund sollten die Treibhausgase in erster Linie vermieden werden und die CO2-Entnahme nur als ergänzende Maßnahme betrachtet werden.
Laut dem IPCC-Bericht aus 2022 ist die Entnahme von CO2 "unvermeidlich", um die sogenannten "schwer vermeidbaren Restemissionen" auszugleichen. Dazu gehören die Emissionen unter anderem aus der Stahl- und Zementindustrie. Dabei sollten die Ansätze, die natürliche Senken aufbauen, nicht gegen technische Verfahren ausgespielt werden, sondern so kombiniert werden, dass Vor- und Nachteile bestmöglich ausgeglichen werden.
Staatliche Unterstützung, Klimarecht und Anreize
Wie bei anderen Innovationen ist die staatliche Unterstützung für die beschleunigte Entwicklung von Technologien zur CO2-Abscheidung, -Entnahme, -Transport und -Speicherung entscheidend. Durch die Förderung von Forschung und Entwicklung können die oftmals noch hohen Kosten verringert und die Sicherheit der Technologien verbessert werden. Aufgrund der Dringlichkeit sollte dabei der Fokus auf vielversprechende Lösungen wie die CO2-Abscheidung aus großen Biomethan-, Bioethanol- und Abfallverbrennungsanlagen oder auch auf Pflanzenkohle, zum Beispiel aus Kläranlagen, gelegt werden.
Um die Abscheidung, die Entnahme und die Speicherung von CO2 adäquat zu steuern, muss auch das bestehende internationale und nationale Klimarecht weiterentwickelt werden. Das Recht muss den Aufbau von entsprechenden Infrastrukturen ermöglichen und rechtliche Hemmnisse für die internationale Kooperation zur Speicherung von CO2 abbauen. Dazu gehören die Rechtssicherheit für Transportnetzwerke für CO2, Anrechnungskriterien, Monitoringsysteme, Umweltstandards und Haftungsregelungen.
Der verpflichtende und freiwillige Kohlenstoffhandel sowie die kommerzielle Verwertung des entnommenen CO2 können zusätzliche Anreize für die CO2-Entnahme setzen. Insbesondere die Marktpotentiale für Kompensationsleistungen (englisch Carbon offsetting) scheinen erheblich. Um die CO2-Entnahme in diese Märkte zu integrieren, muss ein regulatorischer und institutioneller Rahmen entwickelt werden, der die Glaubhaftigkeit der Angaben zur CO2-Entnahme und Speicherung ermöglicht.
Till Markus ist Jurist und arbeitet als Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ. Dort befasst er sich aktuell mit den rechtlichen Fragen des Klimaschutzes und der Energiewende. Er ist beteiligt an Projekten wie DACStorE, GONASIP und Zukunftsfähiges Umweltrecht im Anthropozän.
Danny Otto ist Soziologe. Als Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ befasst er sich unter anderem mit Fragen der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Bewertung von negativen Emissionstechnologien bzw. Technologien zu CO2-Speicherung - aktuell etwa in den Projekten BioNET und RamonCO.
Daniela Thrän ist Professorin für Bioenergiesysteme an der Universität Leipzig und leitet das Department Bioenergie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ. Sie befasst sich mit der Analyse und Bewertung von biobasierten negativen Emissionen in net zero Energiesystemen und nachhaltiger Bioökonomie wie z.B. dem BioNET-Projekt.