Ein Fluch der Karibik
Die US-Wetterbehörde NOAA hat soeben einen alarmierenden Ausblick auf die Hurricane-Saison 2022 veröffentlicht. Danach könnte dieses Jahr ein besonders intensives Wirbelsturmjahr werden. Die NOAA benennt als Ursache dafür den Klimawandel.
In der diesjährigen Hurricane-Saison (Juni bis November) droht eine überdurchschnittliche Unwetter-Aktivität. Bis zu 21 tropische Stürme werden erwartet. Normal wären 14. Von diesen Stürmen sollen sich bis zu 10 zu Hurricanes auswachsen. Drei bis sechs Wirbelstürme könnten sogar zur wuchtigen Kategorie 3 bis 5 gehören. Besonders bedrohlich für den Süden der USA, die Karibik-Staaten und Ost-Mexiko: Auch die Wahrscheinlichkeit für einen katastrophalen Supersturm wie „Katrina“ von 2005 ist hoch.
Die NOAA formuliert es klar: „Die für diese Hurricane-Saison erwartete erhöhte Aktivität wird auf mehrere Klimafaktoren zurückgeführt.“ Das sind insbesondere überdurchschnittlich warme Meeresoberflächentemperaturen im Atlantik und in der Karibik, ein abgeschwächter Passat im Atlantik und ein verstärkter westafrikanischer Monsun, aus dem sich tropische Stürme entwickeln.
Für die Entstehung von Hurricanes ist dann eine Temperatur der Meeresoberfläche von mehr als 26 °C erforderlich. Ab dieser Temperatur kann ausreichend Wasser verdunsten. Der Wasserdampf ist die eigentliche Energiequelle dieser Wirbelstürme. Diese Temperatur ist in der Karibik und in Teilen des südlichen Nordatlantik schon längst erreicht. Hinzu kommen passende Strömungen in Atmosphäre und Ozean.
Die für Hurricanes besonders förderliche Konstellation solcher Strömungen findet sich häufig in Jahren, die durch das Klimaphänomen La Niña geprägt sind. 2022 ist ein solches Jahr, wo La Niña besonders markant ist. Auch hier spielt der Klimawandel mit seiner Modifikation der globalen atmosphärischen Zirkulation eine Rolle. Modellrechnungen zeigen: die Las Niñas scheinen generell stärker und länger andauernd zu werden. Der IPCC-SROCC-Bericht formuliert das ebenso.
Verursacht der Klimawandel also gehäufte und intensivere Hurricanes? Vieles spricht dafür, denn es ist mittlerweile das siebte Jahr in Folge mit einer überdurchschnittlichen Hurricane-Saison, stellt die NOAA fest. Das gab es bisher in dieser Häufigkeit nicht.
Wieviel Klima steckt im Wetter?
Wetter, als aktueller Zustand der Atmosphäre an einem Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt, unterscheidet sich natürlich vom Klima, das den gemittelten Zustand atmosphärischer Größen über einen Zeitraum von 30 Jahren beschreibt. Dass sich das globale Klima in den letzten 150 Jahren dramatisch geändert hat, zeigen die Warming Stripes des Klimaforsches Ed Hawkins (Abbildung) deutlich auf.
Aber kann man wirklich die Änderung des Klimas mit einzelnen Wetterereignissen in Verbindung bringen? Ja, das geht: Ein relativ junger Zweig der Meteorologie, die Attributionsforschung, beschäftigt sich recht erfolgreich genau damit. Die Pionierin auf diesem Gebiet, Friederike Otto, vom Imperial College, London, hat als Co-Autorin des 6. IPCC Reports auf den Zusammenhang von Wetter- und Klimaänderung hingewiesen. Sie leitet die Initiative World Weather Attribution (WWA), welche die Zusammenhänge von Extremwetterereignissen und Klimaänderung untersucht. Kann man also sagen: 7% mehr Wasserdampf in der globalen Atmosphäre sorgen für entsprechend intensivere Wetterereignisse?
Tatsächlich weist auch der aktuelle Bericht des IPCC auf, dass die Regenfälle um rund 7 % zugenommen haben. Aber so schlicht und linear geht es denn doch nicht zu: „Der Klimawandel funktioniert nicht wie ein Aufputschmittel, das systematisch über alle Wetterereignisse der Welt verteilt wird und überall das Wetter gleichmäßig anheizt,“ stellt Friederike Otto in ihrem Buch „Wütendes Wetter“ fest. Das System Erde setzt sich aus den Subsystemen Atmosphäre, Hydrosphäre, Kryosphäre, Geosphäre und Biosphäre zusammen. Jedes einzelne dieser Subsystemen ist hochkomplex, dynamisch, nicht-linear und intern wie extern rückgekoppelt. „Klima“ ist die Schnittstelle, wo alle diese Teilsysteme aufeinander einwirken. Zusätzlich macht sich der Mensch global bemerkbar, seit weniger als 150 Jahren gesellt sich die Anthroposphäre also zu diesen fünf natürlichen Teilsystemen.
Dank der Modellierung wissen wir heute recht genau, wie das Klima funktioniert. Wir beginnen auch, sein Einwirken auf das Wetter zu quantifizieren. Was die Hurricanes angeht: Sie werden vielleicht nicht häufiger, aber intensiver, da sind sich NOAA, WMO und IPCC durchaus einig.
Atmosphärische Thermodynamik in a nutshell
Aus dem von Hermann von Helmholtz in seiner vollständigen Form 1847 formulierten Gesetz der Energieerhaltung folgt, dass die Wärmeenergie, die zum Verdampfen von Wasser erforderlich ist, bei der Kondensation des Wasserdampfs wieder frei wird. Wolkenbildung ist also nichts anderes als Energiefreisetzung. Die Wolkenspiralen von Hurricanes oder Taifunen sind ein eindrucksvolles Bild dieser Umwandung von latenter (im Wasserdampf versteckter) Wärme in fühlbare Wärme und deren Umsetzung in mechanische Energie in Form von Orkan-Windgeschwindigkeiten.
Wie beeinflusst nun die Klimakrise, mit einer seit 100 Jahren um mehr als ein Grad gestiegenen globalen Mitteltemperatur, diese extremen Tiefdruckgebiete? Émile Clapeyron und Rudolf Clausius, zwei Zeitgenossen von Helmholtz, stellten ein Gesetz auf, aus dem folgt, dass der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre pro Grad Temperaturerhöhung um 7% zunimmt. Damit steigt also auch, wie wir oben festgestellt haben, ihr Energiegehalt in Form latenter Wärme. Stellt sich die Frage: Müsste es dann nicht auch mehr regnen und müssten die Stürme, Tiefdruckgebiete, Gewitter nicht intensiver werden?
Stürme und Klima in Deutschland
Hurricanes gibt es hierzulande nicht. Aber wie spiegeln sie sich die Änderungen des Klimas in unserem Wetter und in Extremwetterereignissen wider?
Am Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht gibt es die Arbeitsgruppe Küstenklima und regionale Meeresspiegelveränderungen und das Norddeutsche Küsten- und Klimabüro, die sich mit den Veränderungen des regionalen mittleren Meeresspiegels, mit Extremereignissen wie Stürmen, Sturmfluten und dem Seegang befassen. Der Sturm-Monitor untersucht, ob und warum viele starke Stürme zu erwarten sind und wie sich der Klimawandel bemerkbar macht. Auch hier, wie bei den Hurricanes, ist die zentrale Frage: nehmen Stärke und Häufigkeit von Stürmen zu?
Die zunächst beruhigende Antwort ist: Für Nordsee und Norddeutschland ergibt sich aus den vorliegenden Daten bisher keine signifikante Zunahme der Stürme, auch ihre Intensität hat sich nicht bedeutsam erhöht.
Sturmfluten sind ein Zusammenspiel von Sturm und Meereshöhe. Der Sturmflut-Monitor des Hereon zeigt für die Ostsee keine Abweichungen vom langjährigen Mittel. In der Nordsee hingegen macht sich der klimabedingte Anstieg des Meeresspiegels bemerkbar. Der Monitor stellt fest: „Der beobachtete Anstieg der Sturmfluthäufigkeit ist im Wesentlichen auf den Anstieg des mittleren Meeresspiegels zurück zu führen.“
Das deckt sich mit den Beobachtungen des Meeresspiegel-Monitors. Der globale Meeresspiegelanstieg ist auch an der Nordsee und in der Deutschen Bucht messbar. Beispiel Norderney: In den letzten 100 Jahren ist der Meeresspiegel bei Norderney durchschnittlich um etwa 14 Zentimeter angestiegen, davon 8 Zentimeter allein in den letzten 50 Jahren.
Klima im Sturm?
Die NOAA-Daten zeigen: die Klimakrise findet sich messbar im Wetter wieder. Was dort für tropische Stürme dargelegt wurde, wird auch durch die IPCC-Berichte bestätigt. Komplizierter ist es, wie uns die Helmholtz-WissenschaftlerInnen vom Hereon-Zentrum zeigen, bei den Stürmen der gemäßigten Breiten. Hier ist das Klima-Signal nicht so deutlich zu identifizieren. Das heißt aber nicht, dass sich die Klimaänderung überhaupt nicht im Wetter wiederfindet, die Ahrtal-Katastrophe und die Sturzflut-Folgeschäden haben klare Bezüge zur Klimakrise.
Das neue Normal wird zunehmend ungemütlich. Helmholtz-Forscher wie der Klima-Wissenschaftler Hans Otto Pörtner weisen seit Jahren darauf hin, dass die 1,5 Grad aus dem Paris-Abkommen keine Verhandlungsmasse bieten. Mutter Erde wartet nicht auf internationale Kompromisse, sie agiert naturgesetzlich.