Aus Treibhausgas wird Lippenstift
Das Treibhausgas Kohlendioxid schadet unserem Klima. In dem Gas ist aber ein wichtiger Bestandteil vieler Chemikalien und Brennstoffe enthalten: Kohlenstoff. Forscher:innen arbeiten deshalb daran, das Kohlendioxid aus der Atmosphäre zurückzugewinnen und neu zu nutzen. Die sogenannte Co-Elektrolyse ist ein vielversprechendes Verfahren, um das klimaschädliche Gas in klimaneutrale Rohstoffe für die Industrie umzuwandeln.
Benzin wird daraus hergestellt, ebenso wie Lichtschalter, Brotdosen oder Kosmetika: Täglich nutzen wir viele Dinge, die auf Kohlenstoffverbindungen basieren. Diese stammen meistens aus fossilen Quellen wie Erdöl oder Kohle. Ihr großer Nachteil: Sie zu gewinnen und einzusetzen produziert enorme Mengen an Kohlendioxid (CO2). Das wiederum sammelt sich in unserer Atmosphäre an und trägt so zur globalen Erwärmung bei.
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Weniger CO2 auszustoßen ist deshalb das wirksamste Instrument gegen die menschengemachte Erderwärmung. Es hilft aber auch, das sich schon in der Atmosphäre befindende Kohlendioxid zu ‚recyceln‘, also aus der Atmosphäre zurückzugewinnen und in Stoffe umzuwandeln, die die Industrie nutzen kann. So entstehen klimaneutrale Rohstoffe: Bei ihrer Verwendung wird nur so viel CO2 erzeugt, wie vorher eingefangen wurde.
Dr. Matthew Mayer leitet eine Nachwuchsgruppe am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB). Mit seinem Team erforscht er Möglichkeiten, Kohlendioxid weiter zu verwenden. Die Wissenschaftler:innen versuchen, das Gas mittels Strom aus erneuerbaren Energien in chemische Verbindungen umzuwandeln. Diese können dann anstelle des fossilen Kohlenstoffes als Brenn- oder Grundstoffe für verschiedene Produkte genutzt werden. Dieses Verfahren heißt Co-Elektrolyse.
Um neue Stoffe zu gewinnen, verbinden die Forschenden zwei Elektrolyse-Prozesse, daher Co-Elektrolyse. Elektrolyse setzt sich zusammen aus dem griechischen ḗlektron (elektrisch) und lýsis (Auflösung) und bedeutet so viel wie die Zerlegung von etwas mittels elektrischem Strom. Mayer und seine Kolleg:innen nutzen Strom, um Wasser (H2O) und Kohlendioxid in ihre Bestandteile aufzuspalten und sie zu wertvolleren – das heißt energiereicheren – Verbindungen zu rekombinieren.
Bisher wird nur wenig CO2 in Brenn- und Grundstoffe umgewandelt. Das liegt unter anderem daran, dass die Co-Elektrolyse einerseits sehr energieaufwändig ist und dass es andererseits bisher keine Geräte gibt, die auch große Mengen CO2 transformieren können. Die Wissenschaftler:innen der Helmholtz-Klima-Initiative stellen sich dieser Herausforderung. „In unserem Projekt Ansätze für eine zirkuläre Kohlenstoffnutzung arbeiten wir an neuen Behältern - sogenannten Reaktoren - innerhalb derer die Co-Elektrolyse stattfinden soll. Dafür entwickeln wir neue Materialien. Diese sollen die Reaktionen effektiver machen und uns dabei helfen, genau die Verbindungen zu erzeugen, die wir wollen“, erklärt Mayer. Um zu verstehen, wie sie das System verbessern können, untersuchen die Forschenden die verschiedenen Wasser-Kohlendioxid-Reaktionen genau.
Wie teuer könnten die Produkte, die aus der Co-Elektrolyse entstehen, werden? Das lässt sich heute noch nicht genau sagen. Erste Schätzungen geben Anlass zur Hoffnung: Voraussichtlich werden die meisten Stoffe günstiger hergestellt werden können, als es derzeit möglich ist. Während zum Beispiel Propanol – ein Stoff, der auf Kohlenstoff basiert – heute rund 1250 USD pro Tonne kostet, rechnen Wissenschaftler:innen damit, dass durch Co-Elektrolyse gewonnenes Propanol nur 750 USD pro Tonne kosten könnte.
Deutschland will laut Klimaschutzgesetz bis 2045 klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen auch Kraft- und Grundstoffe CO2-neutral hergestellt werden. Dadurch könnten alleine in Deutschland jährlich bis zu 180 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen eingespart werden. Derzeit werden in Deutschland Jahr für Jahr rund 700 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen.