Auf der Spur des tauenden Permafrosts
Mit der Klimaerwärmung tauen die gefrorenen Böden der Arktis. Große Mengen von Methan werden frei und beschleunigen den Klimawandel. Vor Ort sackt das Land ab, Gebäude werden instabil, Ökosysteme und Bevölkerung sind in Gefahr. Wo genau könnte der Permafrost in Zukunft verschwinden, wo müssen sich die Menschen vorbereiten? Um bessere Voraussagen zu ermöglichen, helfen Schüler:innen mit hochauflösenden Drohnen- und Satellitenbildern bei der Kartierung.
Im gefrorenen Zustand ist der Boden betonhart, aufgetaut aber eine schwarze Pampe. „Er ähnelt dann einer Wellness-Moorpackung für die Badewanne”, sagt Christian Thiel vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR), “für die Menschen vor Ort ist das ein Riesenproblem.“ Thiel arbeitet am Institut für Datenwissenschaften und leitet das DLR-Teilprojekt der UndercoverEisAgenten, ein BMBF-Projekt, das den Permafrost in der Arktis erforscht. „In Teilen Sibiriens sind für uns unvorstellbare Situationen normal. Jedes Jahr werden dort Straßen ausgebessert und Häuser sacken metertief ein, teilweise bis in den zweiten Stock“.
Die Temperatur in der Arktis ist in den vergangenen Jahrzehnten fast viermal so schnell gestiegen wie im globalen Durchschnitt. Grund ist die polare Amplifikation, ein komplexer Prozess, bei dem sich der Klimawandel durch die besonderen Bedingungen in der Arktis verstärkt. Die Erwärmung dieser Region führt zum Tauen des Permafrosts: Böden, die bis in tiefe Schichten Jahrtausende gefroren waren, tauen im Sommern zunehmend auf. Zuvor ruhende Mikroben werden aktiv und beginnen das organische Material im Boden zu zersetzen. Aus dem Kohlenstoff, der zuvor durch den Frost gebunden war, entstehen Methan und Kohlenstoffdioxid. Diese Treibhausgase gelangen in die Atmosphäre und tragen zum Klimawandel bei, so dass noch mehr Permafrost auftaut – ein Teufelskreis.
Interaktive Karte zu Permafrostböden
Schüler:innen kartieren den tauenden Boden mit Drohnenflügen
Erste Modelle, die zeigen, wie sich der Permafrost in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird, gibt es bereits. Warum aber taut der Boden an einigen Stellen schneller und an anderen Stellen langsamer, obwohl das Klima ähnlich ist? Das ist eine der ungeklärten Fragen in der Forschung. Um regionale Besonderheiten in den Permafrost-Regionen besser zu verstehen, braucht die Wissenschaft Beobachtungsdaten. Das Projekt „UndercoverEisAgenten“ soll diese Daten sammeln. “Ziel ist, gemeinsam mit den Menschen vor Ort das Wissen zu verbessern, um so zuverlässigere Vorhersagen zur Entwicklung des Permafrosts zu tätigen”, erklärt Soraya Kaiser vom Alfred Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Weil die indigene Bevölkerung die Oberflächen der Böden genau kennt und weiß, wo der Permafrost taut, können die Wissenschaftler:innen ihm gezielt auf die Spur kommen.
Durch Strukturen auf der Oberfläche, die so genannten Polygonmuster, lässt sich der Zustand des Permafrosts im Untergrund aus der Luft erkennen. Da die ersten Anzeichen des tauenden Permafrosts oft nur wenige Zentimeter bis Dezimeter groß sein können, werden für die Vermessung hochaufgelöste und sehr genaue Luftbilder benötigt. In der kanadischen Stadt Aklavik arbeiten bei den UndercoverEisAgenten deshalb Schüler:innen mit, die den Boden mit Drohnen erkunden. Sie nehmen die Bilder in einem vorgegebenen Muster und in einer Höhe von circa 100 Meter über dem Erdboden auf, um zentimetergenau kleine Strukturen zu erfassen.
Animationsvideo
Anschließend verarbeitet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt die Daten der Schüler:innen aus Aklavik. Aus mehreren hundert kleinen Fotos entsteht zunächst ein großes Foto und dann ein umfangreiches Geländebild im 3D-Format. Diese Daten werden anschließend von Schüler:innen in Deutschland und Kanada mit einer mobilen App analysiert.
Bewusstsein erhöhen, um klimafreundlicher zu handeln
Mit der App, die das Heidelberg Institute for Geoinformation Technology (HeiGIT) entwickelt hat, kartieren die Schüler:innen dann auffällige Strukturen und Veränderungen der Landoberfläche. Die Smartphone-App zeigt den jungen Forscher:innen, wie stabiler und tauender Permafrost aussieht. Danach gehen die Ergebnisse zurück an die Forschenden und werden beispielsweise am DLR mittels Künstlicher Intelligenz weiter ausgewertet, um Aussagen über den Zustand des Bodens zu treffen. Am Alfred Wegener-Institut speisen Forschende die gewonnen Daten auch in ihre Klimamodelle ein, um die Berechnung von Zukunftsszenarien zu verbessern. Wie stark der Klimawandel den Permafrost und damit das Leben der Menschen in der Region verändert, ist noch Gegenstand der Forschung.
Schüler:innen leisten durch das Projekt „UndercoverEisAgenten“ einen Beitrag zur Forschung und möchten das Bewusstsein für das Problem und seine Lösungen erhöhen: klimafreundlicher zu handeln.
Bildergalerie
Das Projekt UndercoverEisAgenten wird im Rahmen des Förderbereichs Bürgerforschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Partner diese Verbundprojekts sind das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) und das Heidelberg Institute for Geoinformation Technology (HeiGIT).