Ulrike Schneeweiß

Städte klimaresilient gestalten

Um Städte für die Zukunft zu gestalten, müssen Wassermanagement und Stadtgrün zusammengedacht werden. Forschende der Helmholtz-Gemeinschaft unterstützen Kommunen bei der Planung.

Mehr als drei Viertel der Bevölkerung leben in Deutschland in Städten. Hier wird ein Großteil der CO2-Ausstöße produziert, gleichzeitig bilden sie Hotspots der Auswirkungen des Klimawandels - im wahrsten Sinne des Wortes: Wärme staut sich in Gebäuden und Straßenbelegen, sodass wohltuende nächtliche Abkühlung in heißen Monaten ausbleibt. Während ausgedehnter Dürreperioden geht den Städten zudem das Wasser aus, Starkregen dagegen führt leicht zu Schäden und Versorgungsunterbrechungen durch Überschwemmungen. "Stadtbewohnende sind in besonderem Maß Leidtragende des Klimawandels", sagt Roland Müller, Umweltbiotechnologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). 

 

Roland Müller
Roland Müller
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Sebastian Wieding / UFZ

Und der weltweite Trend der Urbanisierung hält an: Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge werden 60 bis 70 Prozent aller Menschen im Jahr 2030 in Städten leben. Urbane Strukturen auf die veränderten klimatischen Bedingungen auszulegen, ist daher eine drängende Aufgabe für Forschung, Politik und Stadtverwaltung. "In den Städten entscheidet sich, ob die Anpassung an den Klimawandel gelingt", meint Müller. 

Wassermanagement und Grünflächen

Ein zentrales Thema in der Gestaltung klimaresilienter Städte ist das Wassermanagement. Die derzeitigen Systeme sind darauf angelegt, Regenwasser über die Kanalisation von Gebäuden und Verkehrsinfrastruktur abzuleiten. Bei Starkregen reichen die Kapazitäten der Kanalisation oft nicht aus, andererseits fehlt das abgeleitete Regenwasser in trockeneren Phasen. "Die Folgen des Klimawandels erfordern also einen Paradigmenwechsel im Wassermanagement", sagt Müller. 

"Neben zentralisierter Kanalisationen müssen wir zunehmend dezentrale Wasserinfrastrukturen mit multifunktionaler Wirkung gezielt einsetzen." Das können zum Beispiel Gründächer sein, die Gebäude gegen Wärmeverlust isolieren und gleichzeitig Regenwasser zwischenspeichern. "Die Verdunstung des Wassers bringt dann bei Hitze zusätzlich einen Kühleffekt", erklärt der Experte für nachhaltige Umwelttechnologien.

Blau-grüne Infrastruktur

Die Begrünung städtischer Infrastruktur ist also ein weiterer wichtiger Aspekt der Umgestaltung. Fassadenbegrünungen können für eine Wärmedämmung im Winter sorgen sowie für Kühlung durch Verdunstung bei Sonneneinstrahlung; sie spenden Schatten und nehmen dabei noch CO2 aus der Luft auf. Gründächer und Fassadenbegrünung sorgen wie bepflanzte Hinter- oder Innenhöfe, Stadtbäume und Grünanlagen für Kühlung, sie beschatten, verbessern die Luft und das Stadtklima. 

"Wenn ich etwas bepflanzen will, muss ich natürlich immer danach fragen, wo bei Trockenheit das Wasser für die Pflanzen herkommt", sagt Müller. Begrünung und Wassermanagement gehen also Hand in Hand und müssen gemeinsam geplant sein. Flächen und Anlagen, die begrünt sind und Wasser speichern können, nennt man auch blau-grüne Infrastruktur. Schon einfache Strukturen darin, wie Mulden oder unterirdische Rigolen, können bei Trockenheit stellenweise Abhilfe schaffen: Sie verlangsamen die Versickerung von Regenwasser und dienen als Zwischenspeicher. Aufgabe der Städte ist es herauszufinden, wo diese Strukturen sinnvoll anzulegen sind. Dabei kann die Forschung helfen.

Digitale Zwillinge zu Planungszwecken

Um die städtischen Räume nachhaltig zu gestalten, nutzen Forschende computergestützte Überlagerungen verschiedener Datensätze. "Wir kombinieren geographische Informationen wie zum Beispiel Karten der Besiedlungsdichte, Grundwasser- und Bodeneigenschaften, Hitzekarten oder Karten mit regionalen Überschwemmungsrisiken, um die beste Nutzung eines Ortes zu planen", sagt Müller. So kann ein digitaler Zwilling eines Wohnblocks, eines Quartiers oder gar einer ganzen Stadt entstehen, an dem sich verschiedene Szenarien der Nutzung und klimatischer Rahmenbedingungen simulieren lassen. Solche Computermodelle nutzen Müller und seine Mitarbeitenden auch in einem aktuellen Forschungsprojekt urbaner blau-grüner Infrastruktur. "Unser Ziel ist es, den Einfluss der blau-grünen Infrastruktur auf die Funktionalität von Stadtgrün und dessen Kühleffekte quantitativ zu erfassen", sagt er. "Wir kombinieren räumlich-ökonomische Infrastrukturplanung mit der Analyse von Konflikten und Narrativen, um konkret anwendbare Planungslösungen für Städte und Kommunen hervorzubringen."

Das System ‘Stadt’ bietet der Wissenschaft also einen Rahmen für gezielte Forschung zu Klimafolgen und den Anpassungen daran. „Wir bringen verschiedenste Disziplinen zusammen, um mit den komplizierten Herausforderungen klarzukommen und den Umbau zu beschleunigen“, beschreibt Müller. Und auch die politische Ebene ist gefragt, meint er: "Damit wir mit dem Umbau jetzt loslegen, muss die Politik Anreize schaffen und Prioritäten dort setzen, wo Menschen besonders leiden."

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