Regeln für den Handel mit CO2-Zertifikaten
Mit eigenem Geld CO2 in anderen Staaten vermeiden und sich die Erfolge auf das eigene Klimaziel anrechnen: Das Pariser Klimaabkommen erlaubt den Handel mit Emissionsgutschriften. Noch gibt es dafür aber keine Regeln. In Glasgow soll sich das ändern.
Das Pariser Klimaabkommen kommt mit zwölf Seiten aus. Möglich ist diese Kürze, weil viele Details in Paris offen geblieben sind. Diese Details stehen im sogenannten Regelbuch für das Abkommen, das mittlerweile fast komplett ist. Das größte noch fehlende Kapitel sind die Regeln zum Handel mit Emissionsreduktionen.
Manche Länder wie die Schweiz, Japan oder Südkorea wollen einen Teil ihrer Emissionen kompensieren, indem sie in Entwicklungsländern Projekte zur Reduktion der Emissionen fördern. „Das ermöglicht uns, ein ehrgeizigeres Klimaziel zu setzen, als es ohne diesen Handel möglich wäre“, sagt Franz Perrez, der Leiter der Schweizer Delegation bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow. In Deutschland hatte die potenzielle neue Regierungspartei FDP im Wahlkampf gefordert, die EU solle Klimaschutzmaßnahmen in anderen Weltregionen finanzieren und sich die Erfolge auf ihre eigenen Ziele anrechnen können.
Hohe Kosten für Handel auf eigene Faust
Derzeit gibt es aber auf internationaler Ebene noch keine Regeln für diesen Handel. Die Schweiz geht deshalb einen anderen Weg und hat bilaterale Abkommen mit Peru, Ghana, Senegal und Georgien abgeschlossen. Der bilaterale Weg sei aber mit sehr hohen Transaktionskosten verbunden, sagt Perrez und hofft, dass in Glasgow allgemeingültige Regeln verabschiedet werden können. Das ist allerdings bereits zweimal gescheitert, bei den Konferenzen in Katowice 2018 und in Madrid 2019.
Für einen Erfolg bei den Verhandlungen in Glasgow müssen vier Fragen geklärt werden:
- Es muss sichergestellt werden, dass eine Emissionsreduktion nicht doppelt angerechnet wird – einmal in dem Land, in dem das Projekt stattfindet, und einmal in dem Land, welches das Projekt finanziert.
- Im Rahmen des Kyoto-Protokolls gab es bereits einen ähnlichen Handel mit Emissionsreduktionen (Clean Development Mechanism, CDM), in dem viele Millionen CO2-Zertifikate entstanden, die allerdings teilweise von zweifelhafter Qualität sind. Nun muss entschieden werden, ob diese Zertifikate im neuen Handelssystem weiter gültig sind.
- Der Handel mit CO2-Zertifikaten würde nur dann wirklich Treibhausgase vermeiden, wenn sich die Beteiligten die Emissionsreduktionen nicht voll anrechnen. Ein Beispiel: Ein Industriestaat müsste die Vermeidung von zwei Tonnen Kohlendioxid finanzieren, dürfte sich aber nur eine Tonne auf sein Klimaziel anrechnen.
- Und schließlich muss geklärt werden, ob der Handel besteuert wird. Beim CDM müssen fünf Prozent des Kaufpreises von CO2-Zertifikaten an einen Fonds abgeführt werden, der Entwicklungsländer bei Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel unterstützt. Nun muss entschieden werden, ob diese Abgabe auch im neuen Handelssystem zu leisten ist.
Streitpunkt doppelte Anrechnung von Emissionsminderungen
Aus Sicht des Klimaökonomen Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) ist die Vermeidung der doppelten Anrechnung das kniffligste Problem der Verhandlungen. Das liegt an den Klimaplänen vieler Entwicklungsländer. Industriestaaten haben Pläne, die die ganze Wirtschaft und alle Treibhausgase abdecken. Viele Entwicklungsländer haben hingegen Ziele für einzelne Sektoren und Treibhausgase. Das Ziel ist allerdings, dass langfristig alle Länder Klimapläne für ihre gesamte Wirtschaft entwickeln. Hier besteht die Gefahr, dass der Handel mit Emissionsreduktionen einen Anreiz schafft, dies nicht zu tun.
Ein anderes Beispiel: Wenn ein Industriestaat die Methanemissionen in einem Land reduziert, das kein Methanziel hat, kann er sich die Reduktion anrechnen, ohne dass das Projektland seine Emissionen nach oben korrigieren muss. Damit besteht für potenzielle Projektländer ein Anreiz, möglichst viele Gase und Sektoren aus ihren Klimaplänen auszunehmen. „Der Handel könnte den widersinnigen Effekt haben, dass Entwicklungsländer ihre Klimapläne nicht auf alle Sektoren und alle möglichen Maßnahmen ausweiten“, sagt Schwarze.
"Hauptsache, die Regeln für CO2-Märkte kommen"
Er sei aber dennoch optimistisch, dass in Glasgow klappt, was in Katowice und Madrid nicht möglich war. Der Grund dafür sei der Druck der Entwickler von Reduktionsprojekten. Diese sagten: „Es ist uns egal, wie streng die Regeln sind. Hautsache ist, dass sie endlich kommen.“
Die Länder müssten allerdings noch aus einem weiteren Grund, ein Interesse daran haben, Regeln zu schaffen. Derzeit setzen sich viele Firmen Klimaziele, die sie teilweise durch die Kompensation von Emissionen erreichen wollen. Dieser freiwillige Markt ist noch völlig unreguliert. Es sei zwar höchst unwahrscheinlich, dass die UN-Regeln auch für die freiwilligen Märkte gelten werden, schreibt Gilles Dufrasne von der Umweltorganisation Carbon Market Watch. „Trotzdem könnte eine Einigung bei der Klimakonferenz die Aktivitäten des Privatsektors beeinflussen, indem sie ein politisches Signal aussendet, was akzeptabel ist und was nicht.“