11.03.2022
Lars Klaaßen

Die Emissionen in Deutschland steigen wieder

Das Umweltbundesamt hat Mitte März seine aktuellen Erhebungsdaten zum Treibhausgasausstoß in Deutschland veröffentlicht. Dass die Emissionen von 2020 auf 2021 um 4,5 Prozent gestiegen sind, beruht in Teilen zwar auf einer Ausnahmesituation. Doch die aktuelle Erhebung belegt vor allem, dass noch viel getan werden muss – möglichst bald.

Rund 762 Millionen Tonnen Treibhausgase wurden im vergangenen Jahr in Deutschland freigesetzt. Das sind gut 33 Millionen Tonnen mehr als 2020 - ein Plus von 4,5 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt das Umweltbundesamt (UBA) mit aktuellen Berechnungen, die nach den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU Mitte März vorgelegt wurden. Der Anstieg im Vergleich zum vorletzten Jahr ergibt sich unter anderem durch die 2020 beginnende Pandemie und daraus resultierender Lockdowns. Im Vergleich zu lang- und mittelfristigen Trends führten diese zu einer ungewöhnlich deutlichen Reduktion von Treibhausgasen – was auch belegte, dass noch erhebliche Potenziale ausgeschöpft werden können. Doch: „Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 2020 ist fast zur Hälfte schon wieder verloren“, sagt UBA⁠-Präsident Dirk Messner. „Unsere Zahlen zeigen deutlich, dass die Ziele der Bundesregierung schnellstens angegangen werden müssen.“

Bis 2030 muss laut Klimaschutzgesetz in Deutschland ein Minus von 65 Prozent erreicht werden. Seit 1990 sanken die Emissionen in Deutschland jedoch erst um 38,7 Prozent. Laut UBA-Erhebungen hatte in den vergangenen zwölf Jahren vor allem die Energiewende zur Reduktion der Emissionen beigetragen: „Alle anderen bedeutenden Sektoren stagnieren seit 2010 mehr oder weniger.“ Mit einem Plus von 27 Millionen auf rund 247 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im vergangenen Jahr sticht der Energiesektor bei den Berechnungen nun jedoch als schlechtes Beispiel heraus. Damit liegt dieser Sektor zwar gut elf Millionen Tonnen unter den Emissionen des Jahres 2019. Doch das sind 12,4 Prozent mehr als 2020 – in absoluten Zahlen die größten Emissionssteigerungen. Als Gründe hierfür nennt das UBA eine gestiegene Stromnachfrage, geringere Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und den gestiegenen Gaspreis – weshalb verstärkt Kohle zur Stromerzeugung genutzt worden sei. Ungünstige Windverhältnisse haben diese problematische Entwicklung verschärft. Diese ließen die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Vergleich von 2020 auf 2021 um sieben Prozent sinken.

Dass es mit den bisherigen Fortschritten nicht getan ist, zeigt sich auch im Gebäudebereich. Dort kam es 2021 zwar zu einer Emissionsminderung von knapp vier Millionen Tonnen auf rund 115 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Das entspricht einem Minus von 3,3 Prozent. Dennoch überschreitet der Sektor – wie bereits 2020 – die erlaubte Jahresemissionsmenge gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz. Diese sieht 113 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente vor. Die Emissionsreduzierung sei im Wesentlichen als Sondereffekt auf deutlich verringerte Heizölkäufe zurückzuführen, so das UBA: „Die Heizöllager wurden aufgrund der günstigen Preise und in Erwartung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes bereits 2019 und 2020 umfangreich aufgestockt.“ Der Erdgasverbrauch stieg dagegen witterungsbedingt an.

Porträt Ingo Sass
Porträt Ingo Sass
Ingo Sass, Leiter der Sektion Geoenergie am Deutschen GeoForschungsZentrum
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GFZ

„Emissionsminderung bedeutet eine Abkehr von Kohlenstoff als Energieträger. Diese Dekarbonisierung kann im Wärmesektor in Deutschland nur mit Geothermie gelingen“, sagt Ingo Sass, Leiter der Sektion Geoenergie am Deutschen GeoForschungsZentrum. „Die natürlichen Wärmepotenziale im Untergrund sind hierfür in den meisten urbanen Räumen vorhanden. Der nachhaltige Ausbau von Geothermie ist eine Investition in die Städte unserer Zukunft."

Zu wenig tut sich außerdem beim Verkehr. In diesem Bereich wurden im vergangenen Jahr rund 148 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente ausgestoßen. Das sind 1,2 Prozent mehr als 2020 und rund drei Millionen Tonnen über der zulässigen Jahresemissionsmenge, die das Bundesklimaschutzgesetz vorgibt. Ein Grund dafür ist laut UBA der Straßengüterverkehr auf den Autobahnen. Dieser sei wieder auf ein Niveau leicht oberhalb des Jahres 2019 angestiegen. Der Pkw-Verkehr dagegen ist im Vergleich zu 2019 – also vor der Corona-Pandemie – immer noch reduziert.

In der Landwirtschaft gingen die Treibhausgasemissionen zwei Prozent zurück, um gut 1,2 auf 61 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Der Sektor bleibt damit deutlich unter der für 2021 im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmenge von 68 Millionen Tonnen. Dies ist unter anderem dem Rückgang der Tierhaltung zu verdanken. So sanken die Zahlen der Rinder um 2,3 und die der Schweine um 9,2 Prozent. Dadurch gab es weniger Gülle, die Emissionen sanken um vier Prozent gegenüber 2020. Die deutliche Unterschreitung der festgesetzten Jahresemissionsmenge, betont das UBA, sei jedoch vor allem durch methodische Verbesserungen in der Berechnung der Emissionen bedingt. Um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen, müssen nun pro Jahr sechs Prozent Emissionen gemindert werden. Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal zwei Prozent.

Claudia Traidl-Hoffmann
Claudia Traidl-Hoffmann
Claudia Traidl-Hoffmann, Direktorin des Instituts für Umweltmedizin
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Foto: Anatoli Oskin / Universität Augsburg

„Die Folgen der Klimawandels für uns Menschen sind weitreichender und gravierender als noch vor 20 Jahren angenommen, Leben und Gesundheit sind bedroht, noch sind wir nicht ausreichend vorbereitet“, sagt Claudia Traidl-Hoffmann, Direktorin des Instituts für Umweltmedizin. „Mehrere Milliarden Menschen auf der Welt spüren die Auswirkungen bereits, auch wir hier in Deutschland.“ Deshalb sei es wichtig, alles zu tun, um die Erwärmung zu begrenzen.

Der heute erschienene Bericht des Umweltbundesamtes zeige auf, dass wir auf dem Weg sind – aber ebenso, dass die Anstrengungen bei weitem noch nicht ausreichen, um die Gesundheit und die Lebensgrundlagen der Menschen nachhaltig zu sichern. „Das Zeitfenster, in dem wir signifikante Besserung bewirken können, schließt sich. Jede Entscheidung, die in der Politik, aber auch von uns vielen Privatmenschen getroffen wird, ist wichtig.“, sagt die Umweltmedizinerin Traidl-Hoffmann.

Die Erhebung und was daraus wird

Die Emissionsdaten des Jahres 2021 werden nun nach der Veröffentlichung Mitte März, wie im Gesetz vorgesehen, vom Expertenrat für Klimafragen geprüft. Der Expertenrat legt innerhalb eines Monats eine Bewertung der Daten vor. Danach haben die jeweils zuständigen Ministerien laut Gesetz drei Monate Zeit, ein Sofortprogramm vorzulegen, das Vorschläge für Maßnahmen enthält, die den Gebäudesektor und Verkehrssektor in den kommenden Jahren auf den vorgesehenen Zielpfad bringen. Die Bundesregierung arbeitet an einem Klimaschutz-Sofortprogramm, das diese Anforderungen so weit wie möglich erfüllen soll.

Die vollständigen, offiziellen und detaillierten Inventardaten zu den Treibhausgasemissionen in Deutschland für das Jahr 2021 veröffentlicht das UBA im Januar 2023 mit der Übermittlung an die Europäische Kommission.

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