„Der Klimawandel lässt sich nicht ein- und ausschalten“
Özden Terli ist einem großen Publikum aus dem Wetterbericht im ZDF bekannt. Seit vielen Jahren ist der Meteorologe und Wetter-Moderator auch im Klimaschutz aktiv und nimmt dieses Thema oft in seine Sendungen auf. Warum der Klimawandel in den Wetterbericht gehört und welche Folgen die globale Erwärmung in Deutschland noch haben kann, hat Terli der Helmholtz-Klima-Initiative anlässlich des Welttages der Meteorologie am 23. März 2022 erklärt.
Herr Terli, ausgeprägte Dürren und extrem starke Regenfälle haben in den letzten zehn Jahren auch vor unserer Haustür, hier in Deutschland, deutlich zugenommen. Sie arbeiten seit fast zwanzig Jahren in der ZDF-Wetterredaktion. Wie wirken sich diese Veränderungen auf Ihre tägliche Arbeit aus?
Der Weltklimarat (IPCC) hat in seinem aktuellen Bericht erneut festgestellt, dass Hitzewellen, Fluten und Dürren, die wir Menschen verursacht haben, deutlich zugenommen haben. Das beobachte ich auch in meiner tagtäglichen Arbeit. Dabei zeigt sich für mich als Wettermoderator, dass sich die atmosphärische Zirkulation mit ihren Luftströmungen verändert. Die Temperatur in der Arktis hat sich, im Vergleich zur restlichen Welt, in den letzten 30 Jahren doppelt so schnell erwärmt. Wichtig ist: Was in der Arktis passiert, bleibt nicht in der Arktis; durch die Verringerung des Temperaturunterschiedes zwischen den polaren Breiten und dem Äquator geraten die globalen Windsysteme – wie Jetstream oder Polarwirbel – aus dem Gleichgewicht. Und eben diese sind für unser eigentlich ausgeglichenes Wettergeschehen auf der Nordhalbkugel entscheidend.
Auf welche Wetter- und Klimaveränderungen müssen wir uns also in Deutschland künftig einstellen?
Durch die Veränderung des Jetstreams beziehungsweise der atmosphärischen Zirkulation ist sowohl in Deutschland als auch in Europa öfter mit Dürre- und Starkregenereignissen zu rechnen. Aktuell lässt sich bereits beobachten, dass sich vermehrt Großwetterlagen in einer bestimmten Region festsetzen, die zu extremen Wetterbedingungen führen. Neben der Flutkatastrophe im Ahrtal, die wir wohl alle zur Kenntnis genommen haben, gab es 2021 extreme Hitze in Spanien und eine Hitzeglocke im nördlichen Kanada, die Temperaturen von rund 50°C angenommen hat. Hinzu kommen zahlreiche Buschfeuer und Jahrhundertregen in Australien, die wiederum verdeutlichen, dass sich das Wetter auch global ins Extreme verändert. Wenn wir durch unser menschliches Handeln die Luftchemie und physikalischen Parameter in der Atmosphäre verändern, müssen wir auch akzeptieren, dass sich das auf unser Wettergeschehen auswirkt.
Warum nehmen diese globalen Wetterextreme zu?
Letztlich ist dies reine Physik: Steigt die globale Temperatur an, erwärmt sich die Luft und kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Diese Zunahme an verfügbarer Energie führt mitunter bei bestimmten Wetterereignissen – etwa bei Gewittern, bei denen warme feuchte Luft vertikal aufsteigt – dazu, dass sie weiter angeheizt werden. Sie können dann also mehr Energie und Wärme freigeben. In der Folge werden die Wetterereignisse immer heftiger. In besonderer Weise ist dies bei Hurrikanen zu beobachten. Wenn mehr Energie aufgrund der stärkeren Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre zurückbleibt, führen die so genannten Rückkopplungsprozesse – also das Zusammenspiel zwischen einem immer wärmer werdenden Ozean und der Atmosphäre – zu heftigeren Wirbelstürmen und somit zu mehr Zerstörung. Uns Menschen muss bewusst werden, dass der Klimawandel sich nicht beliebig ein- und ausschalten lässt. Es ist wissenschaftlich gesichert, dass ein Anstieg an verfügbarer Energie im Klimasystem das Wettergeschehen verändert. Damit einher geht, dass der Klimawandel ein grundlegender Zustand ist.
Anlässlich des Welttages der Meteorologie am 23. März wird in diesem Jahr an die 1950 in Kraft getretene Konvention der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) erinnert. Weshalb ist es so wichtig, dass eine Organisation wie die WMO existiert?
Wetter und Klima kennt keine nationalen Grenzen. Als Organisation der Vereinten Nationen (UN) ist es Ziel der WMO, den Austausch von meteorologischen Daten zu fördern und international zu koordinieren. Die WMO bietet als global agierende Plattform den Mehrwert, die weltweite Beobachtung von Wetterdaten standardisiert zu ermöglichen. Damit lassen sich Wettervorhersagen und Frühwarnungen möglichst präzise prognostizieren. Ebenso können Wissenschaftler:innen von den bereitgestellten Datenmengen profitieren, indem sie das Verhalten der Erdatmosphäre und ihren Wechselwirkungen analysieren. Das wiederum kommt auch der Luft- und Schifffahrt zugute.
In Ihren Wettervorhersagen thematisieren Sie häufig den menschengemachten Klimawandel. Wie schaffen wir es Ihrer Meinung nach, ein möglichst breites Verständnis zu diesem Thema in der Gesellschaft zu etablieren?
Wir müssen ganz besonders den Journalismus und die Medienschaffenden in die Pflicht nehmen. Sie kommunizieren letztlich die Fakten. So müssen Journalist:innen in der Lage sein, intuitiv und kritisch nachfragen zu können und Informationen direkt einzuordnen. Dabei ist es natürlich wichtig, Klimathemen und -prozesse aufzuarbeiten, klarzustellen und in die Berichterstattung einzuarbeiten. Dafür brauchen wir nicht nur Expert:innen sondern Journalist:innen die sattelfest sind. Bereits in der Ausbildung müsste es Pflichtfächer geben, die die gesicherten Erkenntnisse aus den Klimawissenschaften vermitteln, damit in Interviews die richtigen Nachfragen erfolgen. Denn es ist klar, dass, wenn wir die Klimakrise nicht eindämmen, unsere Lebensgrundlage bedroht ist! Ebenso sind natürlich auch die Meterolog:innen und Wissenchaftler:innen dazu aufgefordert, solch ein Verständnis in die Gesellschaft hinauszutragen, da sie die Prozesse und Veränderungen im Klimasystem beurteilen können. Mit Blick auf die gesellschaftliche Debatte muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass wir als Menschheit vor einer systematischen Veränderung des Erdsystems stehen, die uns auf dem gesamten Globus betrifft.
Warum ist es so wichtig die - im Pariser Klimaabkommen festgelegte - globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit (um 1880) zu begrenzen?
In Bezug auf das Wetter ist klar, dass Extremereignisse bei einer weiteren Erwärmung künftig häufiger auftreten und sich auch intensivieren werden. Bereits heute sind die Veränderungen bei einem Anstieg von rund 1,2°C deutlich zu sehen. Sie basieren auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Wir können also prognostizieren, was bei einer Zunahme der Temperatur geschehen wird. Es ist erwiesen, dass Kohlenstoffdioxid (CO2) noch Jahrzehnte bis Jahrhunderte in der Atmosphäre wirkt und die Erwärmung des Klimas auch in Zukunft weiterhin verstärkt. Deshalb finde ich es sehr beunruhigend, dass aktuell bereits einzelne Kippelemente im Klimasystem ihre Schwellenwerte erreichen. Die daraus resultierenden Folgen sind für uns Menschen nur schwer abzuschätzen. Sie machen den Klimawandel unkontrollierbar. Es ist also eine Risikoabschätzung. Wollen wir es riskieren, dass sich Erhitzung weiter fortsetzt? Die Antwort ist wohl ganz klar: Nein!
Özden Terli
Ist Redakteur und Wetter-Moderator des ZDF. Nach seinem Studium der Meteorologie in Berlin und seiner Diplomarbeit am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) moderierte er ab 2009 die Wettersendungen bei wetter.com. Anschließend wechselte er ab 2013 in die Wetterredaktion des ZDF.
Eine letzte Frage habe ich noch: Woher kommt eigentlich die umgangssprachliche Bezeichnung des „Wetterfrosches“?
Ich denke die Bezeichnung des „Wetterfrosches“ ist mittlerweile überholt und nicht mehr zeitgemäß. Meines Wissens nach basiert die irrtümliche Vorstellung in der Vergangenheit darauf, dass ein Frosch bei einem Wetterumschwung in einem Glas hinauf klettert und damit das Wettergeschehen vorhersagt. Heutzutage wäre es vermutlich aber höchst unethisch den armen Forsch in einem Glas einzusperren. Allerdings spielt sich unter der Bezeichnung natürlich noch eine ganze Menge mehr ab. So betreiben wir mit unserer Arbeit in der Wettermoderation tagtäglich aktive Wissenschaftskommunikation und brechen komplexe Zusammenhänge auf das Wesentliche herunter, um der Zuhörerschaft das Wettergeschehen und die Veränderungen zu vermitteln. Doch leider wird der Begriff des „Wetterfrosches“ heutzutage auch vermehrt von Klimawandel Gegner:innen dazu verwendet, um genau diese Arbeit zu diskreditieren. Ich mag ihn deshalb nicht besonders.