Ist vielleicht etwas anderes als der Mensch die Ursache?

Behauptung: „Kosmische Strahlung verursacht den Klimawandel“

Behauptung: "Der Klimawandel ist in Wahrheit auf Veränderungen der kosmischen Strahlung zurückzuführen, die durch Schwankungen der Sonnenaktivität verursacht werden. Dies beeinflusst die Bildung von Wolken, die dann die Erdoberflächentemperatur verändern."


Fakt ist: Es gibt bislang keinerlei Hinweise, dass kosmische Strahlung das Klima wesentlich beeinflusst. Die Strahlung liegt seit Jahrzehnten im gleichen Schwankungsbereich und zeigt keinen langfristigen Trend, während die Erdtemperatur zügig steigt
Antwort

Antwort: Ein Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und Wolkenbildung (und damit dem Klima) konnte experimentell nicht bestätigt werden. Lediglich ein Teileffekt wurde im Labor nachgewiesen, dieser ist jedoch sehr klein und der Weg von diesem Experiment zur realen Wolkenbildung weit. Selbst wenn sich die Theorie doch noch bewahrheiten sollte, ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Einfluss kosmischer Strahlung deutlich stärker sein könnte als der bereits jetzt in Klimamodellen einbezogene Einfluss der Sonneneinstrahlung.

Die Theorie, dass das Klima und die kosmische Strahlung (engl. „cosmic ray flux“, CRF) zusammenhängen, wird vor allem von Henrik Svensmark vertreten, einem Professor des dänischen Nationalen Weltrauminstituts (Svensmark/Friis-Christensen 1997, Svensmark et al. 2017, Svensmark et al. 2021). Er geht davon aus, dass die Ionisierung der Erdatmosphäre durch kosmische Strahlung zusätzliche Kondensationskeime schaffe, welche die Wolkenbildung verstärkten. Eine erhöhte Wolkenbedeckung wiederum führt zu einer Abkühlung an der Erdoberfläche. Doch andere Forschungsteams fanden keinerlei Belege für die Theorie von Svensmark.

Grundsätzlich und unabhängig von fehlenden Belegen ist festzuhalten, dass die kosmische Strahlung in den vergangenen 50 Jahren keine signifikante Veränderung gezeigt hat (Abbildung 1) – und somit schwerlich den Temperaturanstieg in den letzten Jahrzehnten erklären kann.

Abbildung 1: Monatsmittel der kosmischen Strahlung, gemessen vom Neutronenmonitor des Puschkow-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau; die Grafik enthält die Daten vom Start der Messreihe 1958 bis August 2022, also für rund fünfeinhalb Zyklen der Sonnenaktivität. Sowohl der Langzeittrend über 64 Jahre als auch über die letzten drei Zyklen ist leicht positiv. Das aber würde gemäß der Theorie Svensmarks mehr Wolken bedeuten – und damit eine Abkühlung an der Erdoberfläche. Zu beobachten aber ist bekanntlich eine deutliche Erwärmung; Quelle: Izmiran, Moskau-Troizk

Dennoch haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Wissenschaftler:innen mit Svensmarks Theorie befasst. Diese Arbeiten erbrachten zum behaupteten Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und Erdoberflächentemperatur eine ganze Reihe erhellender Befunde:

  • In Laborexperimenten konnte zwar bestätigt werden, dass kosmische Strahlung die Bildung von Aerosol-Partikeln beeinflusst, die eine Vorstufe für Kondensationskeime sind; dies gelang beispielsweise durch das CLOUD-Projekt am Schweizer Kernforschungszentrum CERN (Kirkby et al. 2011). Dies wurde von Svensmark-Anhängern als Bestätigung ihrer Theorie gewertet – obwohl zunächst völlig offen war, ob dieser Effekt in der realen Atmosphäre, die bereits viele Kondensationskeime enthält, eine signifikante Änderung der Anzahl oder Größe der Keime bewirken kann.
  • Eine vermehrte Partikelbildung ist jedoch lediglich der erste Schritt in einem dreistufigen Prozess der Wolkenbildung in der Erdatmosphäre. Als zweiter Schritt müssen sich hunderte Partikel zusammenballen, bis sogenannte Kondensationskeime entstehen. Und diese Keime müssen dann drittens auch noch tatsächlich Wasserdampf anziehen, bevor ein Tröpfchen einer neuen Wolke entsteht. Ob und welchen Einfluss kosmische Strahlung auf diese notwendigen zweiten und dritten Schritte der Wolkenbildung hat, war lange unklar. Der IPCC kam 2013 in seinem Fünften Sachstandsbericht zum Schluss, der Einfluss sei zu gering, als dass er einen messbaren Effekt auf das Klima ausüben würde. (IPCC 2013, AR5, WG I, Kap. 7.4.6.2).
    Spätere Forschungsergebnisse bestätigten dies, schrieb der Weltklimarat dann 2021 in seinem Sechsten Sachstandsbericht (AR6, WG I, Kapitel 7.3.4.5): „Die [seit dem AR5] veröffentlichte Fachliteratur stützt diese Einschätzung sehr robust durch Schlüsselbelege aus Experimenten, Theorien und Beobachtungen. Mit hohem Vertrauen wird der Effekt galaktischer kosmischer Strahlen auf den Strahlungsantrieb zwischen 1750 und 2019 als vernachlässigbar beurteilt.“ Unter anderem basierte diese Bewertung auf Studien des erwähnten CLOUD-Experiments am CERN (Dunne et al. 2016Kirkby et al. 2016Gordon et al. 2017). Der Strahlungsantrieb („effective radiative forcing“, ERF) ist das Maß, mit dem sich die Energiebilanz der Erde durch äußere Einflüsse wie die Sonnenstrahlung verändert.
  • Untersuchungen des von Svensmark vermuteten physikalischen Mechanismus‘ unter anderem in einem Klimamodell, das die relevanten physikalischen Einzelprozesse enthält, kamen zu dem Ergebnis, dass die Änderungen der kosmischen Strahlung um zwei Größenordnungen zu schwach sind, um die behaupteten Folgen bei der Wolkenbildung verursachen zu können (Pierce und Adams 2009Lee et al. 2019).
  • Eine umfangreiche gleichzeitige Messung von Wolkenkeimen, kosmischer Strahlung, Sonnenstrahlung und Ionisierung über 13 Jahre zeigte keinen Zusammenhang zwischen der Ionisation durch kosmische Strahlung und der Bildung von Wolkenkeimen (Kulmala et al. 2010).
  • Zusätzliche Analysen konnten die von Svensmark aufgestellte Theorie ebenfalls nicht bestätigen (Sloan und Wolfendale 2008).
  • Obwohl die Bildung von Wolkenkondensationskeimen nur wenige Tage benötigt und überall in der Atmosphäre stattfindet, konnte ein Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und Wolkensystemen bisher nur in jährlichen Zeiträumen und vor allem über dem Meer gefunden werden (Usoskin et al. 2004). Die Untersuchung (Svensmark et al. 2009), die einen Zusammenhang zwischen starken kurzfristigen Pulsen kosmischer Strahlung (so genannten Forbush-Ereignissen) festzustellen behauptete, stellte sich als unzulänglich heraus (Calogovic et al. 2010).
  • Die beobachtete Korrelation zwischen kosmischer Strahlung und Wolkenbildung, die von Anhängern der Svensmark-Theorie oft ins Feld geführt wird, beschränkt sich auf die untersten Wolkenschichten – der Ionisierungsprozess findet hingegen hauptsächlich in der oberen Atmosphäre statt (Yu 2002).
  • Udelhofen/Cess (2001) entdeckten einen 11-jährigen Zyklus bei der Wolkenbedeckung der USA, der synchron mit dem Sonnenzyklus verlief, aber keinen Zusammenhang mit der kosmischen Strahlung zeigt. Im Gegenteil: Die Untersuchungen zeigten eine entgegengesetzte Korrelation zu der von Svensmark beschriebenen. Andere Studien konnte überhaupt keinen Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und Wolkensystemen finden (Wagner et al. 2001Sun und Bradley 2002). Zudem haben sich die Korrelationen nach Verlängerung der Datenreihen als nicht robust herausgestellt (Agee et al. 2012).
  • Es gibt erhebliche Einwände gegen die Verlässlichkeit der von Svensmark verwendeten Wolken-Daten (sie stammten aus dem Satellitenprojekt ISCCP, das 2009 eingestellt wurde). Bei diesen hat sich nämlich herausgestellt, dass bestimmte Messergebnisse mit der Abdeckung der betreffenden Gebiete durch bestimmte Satelliten korrelieren (Norris 2000Pallé 2001). Andere Studien haben bestätigt, dass gewisse Entwicklungstrends in den ISCCP-Datensätzen mit der geometrischen Ausrichtung der Satelliten zusammenhängen und möglicherweise gar nicht mit physikalischen Veränderungen in der Atmosphäre (Evan et al. 2007).
  • Die kosmische Strahlung hängt eng mit der Sonnenaktivität, der Zahl der Sonnenflecken und der Sonneneinstrahlung auf die Erde (TSI) zusammen. Es fällt deshalb – zumindest bei statistischen Untersuchungen – sehr schwer, Einflüsse der Sonne auf das Klimasystem der Erde von denjenigen der kosmischen Strahlung zu unterscheiden (Laken et al. 2011).
  • Behauptungen, dass sich der Einfluss kosmischer Strahlung auf das Erdklima über Millionen von Jahren nachzeichnen lasse (Shaviv/Veizer 2003), sind von anderen Wissenschaftlern  zurückgewiesen worden (Rahmstorf et al. 2004).

Fazit: Ein Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und Wolkenbildung (und damit dem Klima) konnte experimentell nicht bestätigt werden; beobachtet wurden lediglich Korrelationen in bestimmten Regionen und für eher kurze Zeiträume. Hingegen gibt es zahlreiche Messungen und Hinweise darauf, dass der Einfluss – falls er existiert – höchstens minimal ist. Er sei "zu schwach, um einen signifkanten Einfluss auf auf Wolken und Klima zu haben", hieß es vor ein paar Jahren zusammenfassend in einer Übersicht des Forschungsstandes (Pierce 2017). Zudem stehen Sonnenstrahlung und kosmische Strahlung in so enger Verbindung, dass eine statistische Unterscheidung der Einflüsse beider Faktoren auf das Klima der Erde fast unmöglich ist.

Obwohl die von Henrik Svensmark aufgestellten Theorien physikalisch durchaus plausibel klingen, gibt es also bislang keine Hinweise, dass sie tatsächlich zutreffend wären bzw. dass sie einen feststellbaren Einfluss auf das Erdklima hätten. Insbesondere scheint es unwahrscheinlich, dass der Einfluss der kosmischen Strahlung auf die Wolkenbildung – selbst wenn er existiert – das Klima spürbar verändern könnte.

Urs Neu/klimafakten.de, November 2011;
zuletzt aktualisiert: August
 2022