Kann man sich auf die Klimaforschung verlassen?

Behauptung: „Der IPCC ist eine politische Organisation“

Behauptung: Der IPCC betreibt Politik unter dem Deckmantel der Wissenschaft. Forschungserkenntnisse werden parteiisch ausgewählt, um Risiken des Klimawandels zu betonen und bestimmte politische Gegenmaßnahmen zu legitimieren, etwa Steuererhöhungen oder Freiheitsbeschränkungen.


Fakt ist: Der IPCC dient zwar der Politik, aber seine Arbeit ist streng wissenschaftlich
Antwort

Antwort: Die IPCC-Berichte werden ausschließlich von Wissenschaftler:innen ausgearbeitet. Zwar kam der Anstoß zur Gründung des Weltklimarates von politischer Seite. Es gibt auch Versuche einzelner Länder, die Berichtszusammenfassungen für die Politik zu beeinflussen. Allerdings hatte dies bisher kaum relevanten Einfluss auf die Endergebnisse – und zielte meist nicht darauf, wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel zuzuspitzen, sondern sie im Gegenteil abzuschwächen.

Es gibt tatsächlich gewisse politische Aspekte am Weltklimarat (IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change, präzise Übersetzung: Zwischenstaatlicher Ausschuss zu Klimaänderungen). So wurde das Gremium 1988 auf Initiative zweier UN-Organisationen gegründet – der Weltmeteorologie-Organisation (WMO) und dem UN-Umweltprogramm (UNEP), und diese beiden haben sicherlich einen zumindest teilweise politischen Hintergrund. Daneben sind die Berichte des IPCC vor allem für den politischen Gebrauch gedacht; sie sollen Regierungen und anderen politisch Verantwortlichen die Grundlagen für etwaige Klimaschutzbeschlüsse liefern. Schließlich hat der IPCC den Anspruch, dass in den Autorenteams alle Weltregionen vertreten sind – auch dies könnte man als „politischen“ Aspekt werten.

Doch die Ausarbeitung der Berichte erfolgt ausschließlich durch Fachleute und nach strengen wissenschaftlichen Maßstäben. Sowohl die umfangreichen Sachstandsberichte (von denen bisher sechs erschienen sind) als auch die zahlreichen Sonderberichte basieren ausschließlich auf der weltweit veröffentlichten Fachliteratur. Der IPCC betreibt selbst keine Forschung. Es gibt also weder „IPCC-Klimamodelle“ noch „IPCC-Forscher“. Ziel der Reports ist jeweils, den Stand der weltweiten Klimawissenschaft zusammenzufassen und zu bewerten. (Es kann aber auch vorkommen, dass Wissenschaftler:innen Bewertungen über politische Angelegenheiten abgeben, etwa den Rat erteilen, dass Ergebnisse besser kommuniziert werden sollten.)

Die Mitarbeit im IPCC ist in der Regel ehrenamtlich, das heißt nahezu keine:r der Autor:innen wird für die Arbeit an den Reports bezahlt; einige erhalten Ausgaben erstattet, etwa für Reisen. Es gibt daher keine finanziellen Abhängigkeiten vom IPCC oder der Politik. Die Wissenschaftler:innen haben kein wie auch immer gerichtetes direktes Interesse an den Inhalten der Berichte. Zudem gibt es auch keine politische Institution, die die inhaltliche Arbeit kontrolliert. In Genf existiert lediglich ein IPCC-Sekretariat, das bloße administrative Aufgaben übernimmt und nur rund ein Dutzend Personen umfasst.

Die IPCC-Reports werden allein von Fachleuten verantwortet

Alle Zusammenfassungen und Schlussfolgerungen in den Berichten werden von Gruppen unabhängiger Wissenschaftler:innen formuliert. Zudem werden für jeden Bericht die Schreib- und Redaktionsteams neu zusammengestellt. Die IPCC-Berichte unterliegen einem breiten, zweistufigen Review, werden also viel ausführlicher durch Fachkolleg:innen kontrolliert als einzelne wissenschaftliche Publikationen. Die Einarbeitung der Kommentare wird durch unabhängige Review-Editor:innen überwacht (die ebenfalls aus der Wissenschaft stammen, aber am Schreiben des Berichts nicht beteiligt waren). Und jeder eingegangene Kommentar muss beachtet, inhaltlich abgewogen und jeweils schriftlich begründet werden, wenn er im Text nicht berücksichtigt wird.

Den erste Review-Durchgang aller Kapitel nehmen Wissenschaftler:innen aus dem jeweiligen Fachgebiet vor. Danach folgt eine zweite Bewertung durch die IPCC-Mitgliedsstaaten, der sogenannte „Governmental Review“. Der Name lässt vermuten, dass Regierungen gewisse Einflussmöglichkeiten hätten. Jedoch sind auch an dieser Review-Runde zumeist (nationale) Fachleute beteiligt - aber eben nicht mehr nur aus der Wissenschaft, sondern zum Beispiel auch aus Behörden oder der Praxis. Die Einarbeitung von etwaigen Änderungen in den Report erfolgt jedoch wiederum ausschließlich durch die IPCC-Schreibteams, überwacht von den unabhängigen Editor:innen. Keiner der Fachleute, die bisher an den Berichten mitgearbeitet haben, hat sich über politische Einflussnahme beschwert.

Trotz aufwändigem Begutachtungsverfahren sind, wie bei allen Arbeiten auf der Welt, vereinzelt Fehler möglich. Auch kann es vorkommen, dass die Vorschriften und Abläufe in Einzelfällen nicht eingehalten werden. So waren zum Beispiel im Fünften Sachstandsbericht (AR5) von 2013/14 vereinzelt Fehler vorgekommen – doch sind lediglich zwei nennenswerte Fehler (etwa zur Gletscherschmelze im Himalaja) verteilt auf drei je ca. tausendseitige Berichtsbände äußerst wenig.

Zwar gab es in der Vergangenheit einige Fälle, in denen Forscher:innen unter Protest den IPCC verlassen haben – aber der Anlass dafür waren wissenschaftliche Kontroversen unter Kollegen:innen. Solche Spannungen sind in der Forschung nicht selten. Allerdings geht der IPCC so transparent wie kaum eine andere wissenschaftliche Institution mit seiner eigenen Arbeit um – zum Beispiel veröffentlichen die einzelnen Arbeitsgruppen ihre Sitzungsberichte im Internet, ebenso die Listen aller Hinweise, die es zu bestimmten Textstellen gab und wie jeweils damit umgegangen wurde.

Politischer Einfluss höchstens bei den "Summaries for Policymakers"

Aus den umfangreichen Berichten des IPCC werden stets „Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger:innen“ (engl.: „Summary for Policymakers“) destilliert. Hierbei gibt es zuweilen tatsächlich intensive Auseinandersetzungen über den genauen Wortlaut zwischen Abgesandten der Regierungen und den wissenschaftlichen Autor:innen. Allerdings geht es bei diesen Diskussionen meist um die Suche nach Formulierungen, bei denen sichergestellt ist, dass sich auch über Fachkreise hinaus verständlich sind. Am Beispiel der Summaries für den Vierten und den Fünften IPCC-Sachstandsbericht hat eine Studie die Veränderungen im Redaktionsprozess detailliert untersucht – ihr zufolge verhalfen die Überarbeitungen den Schlussfassungen zu mehr Verständlichkeit und Nuancierung (Mach et al. 2016).

Es gab bisher wenige Fälle, in denen Regierungen bestimmte Formulierungen aus politischen Gründen ändern wollten. Doch ging es dabei nicht, wie von Kritiker:innen des IPCC oft suggeriert, um irgendeine Dramatisierung von Forschungsergebnissen – im Gegenteil: Es wurde versucht, die Unsicherheit bestimmter wissenschaftlicher Fakten stärker zu betonen, also explizite Aussagen zum Klimawandel eher zu dämpfen.

Im Ergebnis gab es bisher nur sehr wenige Änderungen an IPCC-Berichten, mit denen die beteiligten Wissenschaftler:innen nicht einverstanden waren. Und sie änderten nichts Maßgebliches an den Hauptaussagen der Reports. Wenn überhaupt, dann nehmen die Regierungen Einfluss auf die Kurzzusammenfassungen der Berichte - die jeweiligen Langfassungen und auch die sogenannten "Technical Summaries" entstehen ausschließlich in Verantwortung der Wissenschaft.

Urs Neu/klimafakten.de, Oktober 2011;
zuletzt aktualisiert: März 2022