„Wir suchen den Austausch in Europa, nicht nur in der EU“
Die Europäische Allianz für Klimaforschung (ECRA – European Climate Research Alliance) feiert am 10. März ihr 10-jähriges Bestehen. Klimaforscher Peter Braesicke, der Vorsitzende der Allianz, sprach mit uns über die Ursprungsidee bei der Gründung des Klima-Netzwerks und die Herausforderungen der Zukunft.
Herr Braesicke, im Mittelmeerraum gibt es ein Phänomen, das „Medicanes“ heißt. Das sind stark ausgeprägte Zyklone. Die European Climate Research Alliance hat untersucht, wie die Entwicklung dieser Unwetter und der Klimawandel zusammenhängen. Was haben Sie herausgefunden?
Die Medicanes sind in der Tat ein spannendes Phänomen. Sie bilden sich meist im Herbst, wenn kältere Luft aus dem Norden auf die wärmere und feuchte Luft über dem Mittelmeer stößt. Dabei können starke Zyklone entstehen. Das ist einerseits ein spannendes Wetterphänomen, aber auch eines, das man sehr gut mit internationalen Partnern und im Kontext mit Klimaänderungen erforschen kann, weil hier vielfältige Expertise gefragt ist. Deshalb haben wir uns bei ECRA mit diesem Thema befasst. Schließlich sind wir ein Verbund mit mittlerweile 23 Forschungsorganisationen aus acht europäischen Ländern.
Und was haben Sie herausgefunden, wie hängen Klimawandel und Medicanes miteinander zusammen?
Na, auf den Punkt gebracht kann man sagen, mit zunehmendem Klimawandel, also steigenden Mitteltemperaturen, werden die Medicanes zwar nicht häufiger, aber sie werden stärker. Sie werden extremer.
Ist das ein typisches Beispiel für die Arbeit bei ECRA?
Das war ein eher kleines, eigenes Forschungsprojekt, das wir durchgeführt haben. ECRA betreibt nicht primär selbst Forschung, sie bringt vielmehr grenzüberschreitend europäische Klimaforscher*innen zusammen. Die Hauptaufgabe unseres Verbands ist es vor allem, ein europäisches Netzwerk für den Ideenaustausch in der Klimaforschung zu sein. Als wir vor zehn Jahren gegründet wurden, war die Idee, wissenschaftliche Kompetenzen zusammenzubringen und gemeinsam zu überlegen, wo sich sinnvoll Prioritäten einer europäischen Klimaforschung setzen lassen.
Was bedeutet das inhaltlich? Wo liegen denn nach Meinung von ECRA die wichtigsten Punkte der europäischen Klimaforschung?
Seit der Gründung vor zehn Jahren arbeiten wir in vier so genannten Collaborative Programmes zusammen. Diese vier Programme zeigen die Forschungsschwerpunkte unserer Mitgliedsorganisationen und zugleich die aus unserer Sicht wichtigsten Fragen der Klimaforschung. Es geht um die Entwicklung der polaren Regionen, um den Meeresspiegelanstieg, um Extremereignisse und den Wasserkreislauf. Wir wollen in diesen Bereichen unsere Stärken „bottom-up“ zusammenlegen.
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Ist das ein rein wissenschaftliches Anliegen oder geht es auch um Politik?
Die Initiatorin der ECRA-Gründung war Karin Lochte, die damalige wissenschaftliche Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven. Ihre Idee fand recht schnell eine positive Resonanz sowohl in der Wissenschaft als auch auf politischer Ebene. Unser Netzwerk soll nicht nur die Kompetenzen verschiedener europäischer Wissenschaftsorganisationen bestmöglich zusammenbringen. Darüber hinaus wollen wir aber auch beratend für die europäische Politik wirken. So kam es zum Beispiel, dass unsere Gründungsveranstaltung 2011 im Europäischen Parlament stattfand. Der enge Kontakt zu Stakeholdern aus nationaler und europäischer Politik ist für uns schon immer elementar.
Hat sich das Selbstverständnis von ECRA im Lauf der Jahre verändert?
Nein, das würde ich nicht sagen. Es hat sich im Lauf der Jahre präzisiert. Das Zusammenspiel der vier Forschungsbereiche zum Beispiel monitoren wir kontinuierlich und justieren bei Bedarf auch nach. So wurde etwa aus der Arktisforschung die Polarforschung, die auch die Antarktis mit einschließt.
Was wünschen Sie sich für die nächsten zehn Jahre?
Zum einen natürlich, dass wir weitere Mitglieder gewinnen können. Wir werden auch unsere Themen aktualisieren und unser Netzwerk weiter ausbauen. Damit wollen wir einen noch größeren Beitrag leisten, um die europäische Klimawissenschaft voranzubringen. Mit der europäischen Ebene meinen wir übrigens nicht nur die Gemeinschaft der EU-Staaten. Wir suchen bewusst auch den Austausch mit den Ländern, die nicht der EU angehören. Zudem diskutieren wir zurzeit, ob wir die Gesundheits- und Sozialwissenschaften näher an die Klimaforschung heranbringen und die wechselseitigen Beziehungen zwischen diesen Disziplinen intensivieren.
Die große 10-Jahresfeier muss ja nun in diesem Jahr ausfallen. Was gibt es stattdessen?
Ja, leider. Wir werden die „richtige“ Jubiläumsfeier auf den März 2022 verschieben, dann werden wir hoffentlich wieder zusammenkommen können. Aber auch für dieses Jahr haben wir für unsere Online-Feier ein spannendes Programm auf die Beine gestellt, mit tollen Gästen aus Politik und Wissenschaft sowie einem interessanten Moderator, dem ehemaligen BBC-Wettermoderator und Vorstandsmitglied des Walker Institutes Peter Gibbs. In Großbritannien spielen Wetter und Klima in der Öffentlichkeit eine viel wichtigere Rolle als bei uns. Diesen Enthusiasmus werden wir bei unserer Veranstaltung sicherlich zu spüren bekommen.