Weiße Weihnachten – ein Auslaufmodell?
Weiße Weihnacht gibt es selten in ganz Deutschland. Mit dem Klimawandel dürfte sie in Zukunft noch seltener werden. AWI-Klimaforscher Helge Goessling zeigt mit Szenarien, was Klimaschutz bringt.
Flächendeckenden Schnee zu Weihnachten, das gab es in den letzten hundert Jahren genau viermal in Deutschland: 1962, 1969, 1981 und 2010. Und: „Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Weihnachten schneit, nimmt weiter ab,“ sagt Helge Goessling vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven.
Mithilfe des Klimamodells AWI-CM1 hat der Klimaphysiker gemeinsam mit seinen Kolleg*innen untersucht, wie sich die Wahrscheinlichkeit für Schnee an den drei Weihnachtstagen mit dem sich ändernden Klima entwickelt. Dazu haben die Forschenden fürs Klima relevante Faktoren wie die CO2-Konzentration im Modell verändert und den Computer zufällige Abfolgen von Wetterereignissen simulieren lassen. Dabei herausgekommen sind verschiedene Szenarien, die zusammengefasst Aussagen zum zukünftigen Klima – und der Chance für weiße Weihnachten – erlauben.
Auch in die Vergangenheit hat Goessling geblickt und untersucht, welchen Einfluss das Klima früher auf Weihnachten hatte. Dazu hat er den Computer mit den Daten der Vergangenheit gefüttert – herausgekommen sind exakte Simulationen des vergangenen Klimas. „So können wir genau ermitteln, wie sich das Klima und die Chance für weiße Weihnachten bereits verändert haben“, erklärt Goessling.
Damit bestätigte der Wissenschaftler die Beobachtungsdaten des Deutschen Wetterdienstes, die eine abnehmende Wahrscheinlichkeit über die letzten 60 Jahre zeigen. Vor der Industrialisierung kamen weiße Weihnachten in den Simulationen recht häufig vor. In Deutschland lag Mitte des 19. Jahrhunderts oft Schnee an den Weihnachtstagen, vor allem im Süden und Osten des Landes. In Niedersachsen gab es damals ungefähr jedes sechste bis zwölfte Jahr Schnee, in Mecklenburg-Vorpommern jedes vierte bis fünfte.
Weiße Weihnachten einmal im Jahrzehnt – oder Jahrhundert?
Auch im Süden Deutschlands und anderen Teilen Europas schneite es häufiger als heute zu Weihnachten. Im Zeitraum von 1985 bis 2014 fiel schon deutlich seltener Schnee. So lag die Wahrscheinlichkeit für weiße Weihnachten Mitte der 1980er Jahre im westlichen Norddeutschland bei zwei bis 12 Prozent, im deutschen Nordosten mit seinem kontinentaleren Klima immerhin bei 12 bis 18 Prozent. In den Mittelgebirgen und im Alpenvorland wurden noch höhere Wahrscheinlichkeiten erreicht, in den Alpen gab es fast garantiert Schnee.
Helge Goessling im Insta-Talk
Weiße Weihnachten werden in Deutschland immer seltener. Wie wahrscheinlich sind sie überhaupt noch? Im Insta-Talk bei @rethinknation mit Yannick Döring erzählt Klimaphysiker Helge Goessling, wie Simulationsdaten einen Blick in die Vergangenheit und Zukunft erlauben.
Wie sieht das in Zukunft aus? Wenig überraschend zeigen die Klimamodelle, dass die Wahrscheinlichkeit von Schnee zu Weihnachten mit jedem Grad zusätzlicher Erwärmung weiter abnimmt. Schon heute schneit es im Süden Englands nur noch alle 20 Jahre zu Weihnachten – bei 2°C Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur sogar nur noch zweimal im Jahrhundert, zeigen Goesslings Simulationen.
Auch in Deutschland wäre der Unterschied stark sichtbar: Bei plus 2°C globaler Erwärmung gäbe es im Nordosten nur noch alle 12 bis 20 Jahre eine weiße Weihnacht. Bei 3°C mehr würde es im Nordosten Deutschlands nur noch alle 20 bis 50 Jahre schneien, bei 4°C nur noch etwa alle 50 Jahre. Wer dann noch Schnee an allen Weihnachtstagen erleben wollte, müsste für die Feiertage nach Norwegen, Russland, oder in die Alpen fahren.
Tipps für klimagerechte Weihnachten
Auch über die Feiertage können Sie das Klima schützen – indem Sie Bescherung, Festschmaus und Weihnachtsbaum nachhaltig gestalten.
Noch genauer überprüfen wollen Goessling und seine Kolleg*innen nun wie konkrete Schnee-Ereignisse unter veränderten Klimabedingungen aussähen – zum Beispiel die Feiertage des Winters 2010/11, an dem der Deutsche Wetterdienst die letzte weiße Weihnacht beobachtete. Würde eine solche Wetterlage auch in einer zwei, drei oder vier Grad wärmeren Welt noch weiße Weihnachten bescheren?
Um die Antwort zu ermitteln, werden die AWI-Forschenden den sogenannten „Storyline“-Ansatz nutzen, bei dem sie das Klimamodell zusätzlich mit den Daten zu den Windverhältnissen eines konkreten Tages aus der Vergangenheit füttern. Andere Aspekte des Wetters wie Temperatur und Niederschlag werden vom Modell wie auch sonst frei simuliert. Diese zusätzlichen Winddaten machen die Simulation noch realistischer.
Mit dem Storyline-Ansatz haben die Wissenschaftler*innen der Klimainitiative bereits sommerliche Hitzewellen analysiert. Derzeit werten sie unter anderem die Starkregenfälle des Sommers 2021 aus.