Almut Gaude

Fürs Klima: Weniger Lebensmittel verschwenden

Der Verlust und die Verschwendung von Nahrungsmitteln verursachen global bis zu zehn Prozent der menschengemachten Treibhausgasemissionen. Einen Großteil davon könnten wir durch verbindliche Reduktionsziele und mehr Bewusstsein für das Problem vermeiden. Der Gewinn fürs Klima wäre riesig.

Wenn zu Hause mal wieder eine Marmelade verschimmelt im Abfall landet oder im Restaurant die Reste einer großen Portion zurückgereicht werden, fühlt sich das meist nicht gut an. Das schlechte Gewissen nagt – zu Recht. In Deutschland landen pro Jahr laut Bundesregierung rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, der WWF geht sogar von 18 Millionen Tonnen aus – bei einem Nahrungsmittelverbrauch von rund 55 Millionen Tonnen. Geschätzt die Hälfte aller Lebensmittelabfälle wäre vermeidbar. Gleichzeitig sind weltweit mehr als 800 Millionen Menschen unterernährt.

Milliarden Tonnen Treibhausgase durch Nahrungsmittelabfälle jedes Jahr

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass weltweit rund 4,4 Milliarden Tonnen Treibhausgase pro Jahr durch Lebensmittelabfälle freigesetzt werden. Wäre Lebensmittelverschwendung ein Land, dann wäre es nach China und den USA der drittgrößte Treibhausgas-Produzent der Welt. Laut dem IPCC-Sonderbericht zu Klimawandel und Landsystemen von 2019 trägt der Verlust und die Verschwendung von Lebensmitteln global derzeit mit acht bis zehn Prozent zu den menschengemachten Treibhausgasemissionen bei. Zum Vergleich: Der Flugverkehr ist für 3,5 Prozent der Emissionen verantwortlich.

8-10 %

der menschengemachten Treibhausgas-Emissionen gehen

auf Verlust und Verschwendung von Lebensmitteln zurück.

Wie genau kommt es dazu? „Um den Klimaeffekt der Lebensmittelverschwendung zu verstehen, müssen wir das Ernährungssystem als Ganzes betrachten,“ sagt Prajal Pradhan, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „So werden zum Beispiel wertvolle Wälder für den Lebensmittelanbau gefällt, durch den eingesetzten Stickstoffdünger im Ackerbau entsteht klimaschädliches Lachgas und beim Reisanbau entweicht aus den überschwemmten Feldern Methan. Die Haltung von Nutztieren für tierische Nahrungsmittel wie Fleisch, Milch und Eier setzt eine riesige Menge Methan und Stickoxide frei. Durch den Transport, die Lagerung, die Weiterverarbeitung und durch das Verpacken der Nahrungsmittel werden dann noch weitere große Mengen von Treibhausgasen produziert.“

Die Grafik zeigt die Treibhausgasemissionen durch Lebensmittel
Die Grafik zeigt die Treibhausgasemissionen durch Lebensmittel
©
Julia Blenn / Helmholtz-Klima-Initiative

Insgesamt ist das Ernährungssystem für ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wiederum ein Drittel der global produzierten Lebensmittel landen im Müll. Wichtig zu wissen: Je weiter oben in der Versorgungskette der Lebensmittelverlust auftritt, desto kohlenstoffintensiver ist die Verschwendung. Zum Beispiel hat eine einzelne Tomate, die in der Erntephase verdorben ist, noch einen geringeren CO2-Fußabdruck, die fertig verarbeitete und verpackte Tomatensauce im Einzelhandel jedoch einen sehr hohen. Lebensmittel wegwerfen? Bitte nicht.

Über die Hälfte der Lebensmittelabfälle entsteht in Privathaushalten

Expert:innen unterscheiden zwischen dem Verlust und der Verschwendung von Lebensmitteln. Verluste treten auf, bevor die Lebensmittel den Verbraucher erreichen – beispielsweise durch eine ineffiziente Ernte, Schädlingsbefall oder schlechte Lagerung. Lebensmittelverschwendung passiert dann, wenn die Lebensmittel die Konsument:innen erreichen, sie aber nicht gekauft oder verzehrt und weggeworfen werden.

In Deutschland gingen im Jahr 2020 laut einer Erhebung der Bundesregierung 59 Prozent der Lebensmittelabfälle auf das Konto der Verbraucher:innen in privaten Haushalten. Pro Person werden im Durchschnitt jährlich rund 78 Kilo weggeworfen. In Restaurants und Kantinen fallen 17 Prozent, in der Verarbeitung 15 und im Handel sieben Prozent der Abfälle an.

Bislang wurde davon ausgegangen, dass Lebensmittelverluste in der hocheffizienten Landwirtschaft der Industrieländer geringfügig sind. Doch eine umfassende Studie der Umweltstiftung WWF zeigt, dass diese Verluste in Europa erheblich höher sind als angenommen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schätzt auf Basis der WWF-Studie die Lebensmittelverluste auf der Ebene der Landwirtschaft in Deutschland auf rund 17 Millionen Tonnen zusätzliche Lebensmittelbfälle pro Jahr. Der Grund: Millionen Tiere sterben bereits im Stall und Tonnen an Obst und Gemüse schaffen es u. a. wegen ästhetischen Makeln nicht in den Handel.

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Verbindliche Regeln, Wegwerfstopps und Aufklärung

Die Bundesregierung hat im Rahmen der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen zugesagt, bis 2030 die Lebensmittelabfälle pro Kopf im Handel und auf Konsumentenebene zu halbieren. Das Bundeslandwirtschaftsministerium erarbeitet derzeit Maßnahmen dafür. Wann ein Gesetzes-Entwurf dazu vorliegen wird, steht noch nicht fest.

Aus Sicht der Umwelthilfe braucht es politisch vor allem eins: verbindliche Abfall-Reduktionsziele entlang der gesamten Versorgungskette, von der Produktion über verarbeitende Unternehmen und Supermärkte bis hin zu den Verbraucher:innen. „Die Bundesregierung muss verbindliche Vorgaben zur Abfallvermeidung beschließen und Kontrollinstanzen zu deren Einhaltung schaffen,“ sagt Elisa Kollenda, DUH-Referentin für Ernährung und Landwirtschaft. „Freiwillige Selbstverpflichtungen, wie von der Vorgängerregierung angestrebt, reichen nicht aus.“ Kollenda fordert auch einen sofortigen Wegwerfstopp für den Einzelhandel und andere Unternehmen entlang der Lieferkette. Supermärkte und zum Beispiel Kantinen sollten gesetzlich verpflichtet werden, genießbare, aber unverkaufte Ware zuerst an soziale Organisationen zu spenden, bevor sie entsorgt werden. Eine entsprechende Regelung gibt es in einigen Ländern bereits, beispielsweise in Frankreich.

Tipps und Tricks gegen Lebensmittelverschwendung

Viele gute Tipps für Verbraucher:innen bietet die Welthungerhilfe. Die Deutsche Umwelthilfe kombiniert politische und private Maßnahmen und bietet weitere Informationen auf ihrer Übersichtsseite zum Thema.

Und die Verbraucher:innen? „Es braucht viel mehr Aufklärungs- und Bildungsarbeit. Jeder und jede von uns steht an der Spitze der Versorgungskette, wir bestimmen zentral den Bedarf an Lebensmitteln – und der ökologische Fußabdruck unserer Abfälle ist der größte,“ meint Marina Tsoumpa, die am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam arbeitet und ihre Masterarbeit zum Thema „Lebensmittelverschwendung in privaten Haushalten in Deutschland“ schreibt.

„Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen bei den Endverbraucher:innen allein würde die Treibausgasemissionen Deutschlands bereits um ein Prozent reduzieren, was rund acht Millionen Tonnen CO2 pro Jahr entspricht! Das wäre ein so wichtiger Schritt hin zur Klimaneutralität,“ so Tsoumpa. Ihre Untersuchung von 34 Haushalten hat ergeben, dass sich einfache Anleitungen zum schonenden Umgang mit Lebensmitteln – vom Einkauf über die Lagerung bis hin zur Verarbeitung – zusammen mit der Aufklärung über Auswirkungen der Verschwendung positiv auf das Abfallgeschehen auswirken.

Dr. Pradhan empfiehlt vor allem, den Fleischverbrauch zu reduzieren. Fast 70 Prozent aller Treibhausgase, die bei der Nahrungsmittelproduktion freigesetzt werden, sind auf tierische Produkte zurückzuführen. Für den Futtermittel-Anbau müssen riesige Flächen an Ackerflächen bereitgestellt werden, deren Düngung zudem Lachgas freisetzt. Im Verdauungstrakt  der Nutztiere entsteht darüber hinaus klimaschädliches Methan. Zuletzt sieht Pradhan es als wichtigen Schritt an, Verbraucher:innen wieder mehr in Kontakt mit der Lebensmittel-Produktion zu bringen, zum Beispiel über Urban Gardening. So steige die Wertschätzung gegenüber der Nahrung: „Wenn man sieht, wie viel Arbeit im Gemüseanbau steckt, erntet und verzehrt man auch dankbar mal eine krumme Gurke.“

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