"Ein gesunder Lebensstil hilft auch dem Klima"
Mit dem Lancet Countdown wurde Ende 2020 ein neuer Bericht zum weltweiten Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gesundheit veröffentlicht. Annette Peters forscht am Helmholtz Munich zu dieser folgenreichen Wechselbeziehung.
Frau Peters, Umweltverschmutzungen wie Abgase oder verseuchtes Wasser schaden unserer Gesundheit. Das kann man leicht nachvollziehen. Aber warum schadet uns der Klimawandel gesundheitlich?
Der Klimawandel hat vielfältige, ganz unmittelbare Folgen für unsere Gesundheit. Hitzewellen zum Beispiel werden häufiger und belasten unser Herz-Kreislauf-System. Das betrifft besonders Menschen, die in Städten leben, wo sich die Hitzewellen intensiver auswirken. Neue Infektionskrankheiten breiten sich aus, etwa durch die Tigermücke, die nun auch bei uns gute Lebensbedingungen vorfindet. Darüber hinaus fragen wir, wie unsere mentale Gesundheit betroffen ist. Ist es mehr als, dass wir bei Hitze einfach nicht so gut nachdenken können? Wir sehen auch, dass Diabetiker und Menschen mit hohen Cholesterinwerten an heißen Tagen vermehrt Herzinfarkte erleiden. Insgesamt gibt es durch ein verändertes Klima also eine Vielzahl an direkten gesundheitlichen Folgen für uns.
An welchen dieser Themen forschen Sie?
Mein Team und ich erforschen vor allem die biologischen Prozesse, die an heißen Tagen im Körper ablaufen. Insbesondere interessiert uns, was molekular passiert, wenn mehrere heiße Tage aufeinander folgen. Wir wollen auch wissen, wie sich Hitze in Kombination mit Luftschadstoffen und Lärm im städtischen Umfeld auswirkt, wie sich diese Faktoren also im Zusammenspiel für unsere Gesundheit bemerkbar machen.
Und gibt es dazu schon Ergebnisse?
Wir können zum Beispiel zeigen, dass die negativen Auswirkungen von Luftschadstoffen auf den menschlichen Organismus zunehmen, wenn die Temperaturen steigen. Hitze wirkt hier also verstärkend. Das heißt, mit einem zunehmenden Klimawandel werden auch die Schadstoffe in der Luft für uns gefährlicher.
Das Helmholtz Zentrum München, an dem Sie forschen, beteiligt sich auch am Lancet Countdown. Das ist ein internationaler Bericht zu Klimawandel und Gesundheit. Im Mittelpunkt stehen dabei die Auswirkungen auf die globale Gesundheit. Was ist damit gemeint?
Der Bericht sieht sich nicht nur ein Land isoliert an, sondern sammelt weltweit Daten und beschreibt die weltweiten Auswirkungen.
Was sind die diesjährigen Themen dieses Berichts?
Er widmet sich im Wesentlichen drei Themen: der Ernährung, der Bewegung und gesunden Städten. Hier gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gesundheit. So tut Bewegung unserer Gesundheit gut. Wenn wir das Rad für den Weg zur Arbeit nehmen, stoßen wir aber auch weniger Treibhausgase aus. Eine gesündere Ernährung kommt mit weniger Fleisch aus, das vermeidet intensive Viehhaltung. In gesunden Städten geht es uns persönlich besser, und es gibt mehr Grün und nachhaltige Energieerzeugung. Daran kann man schön sehen, dass es ein intensives Wechselspiel zwischen Gesundheit und Klima gibt. Ein gutes Klima beugt Gesundheitsproblemen vor – und eine gesunde Lebensweise geht Hand in Hand mit Klimaschutz.
Welche Empfehlungen gibt der Bericht der deutschen Politik?
Im Bericht werden im Wesentlichen vier Punkte angesprochen. Wenn nach der Corona-Pandemie die Wirtschaft wieder hochgefahren wird, sollte die Chance genutzt werden, eine ökologischere und klimafreundlichere Wirtschaft anzukurbeln. Die Ernährung sollte konsequenter auf Bioproduktion umgestellt werden, um den Fleischkonsum zu reduzieren und eine nachhaltigere Produktion zu fördern. Der aktive Transport in Städten sollte gefördert werden. Und gemeinsam mit Stadtplanern und Architekten sollten Städte künftig nachhaltiger geplant werden. Mehr kann ich an dieser Stelle noch nicht verraten. Der Bericht wird am 3. Dezember veröffentlicht.
Wer steht hinter dem Bericht?
Das ist eine rund 120-köpfige internationale Expertengruppe. Der Policy Brief für Deutschland beispielsweise ist eine Zusammenarbeit der Ludwig-Maximilians-Universität München, des Helmholtz Zentrums München, der Charité, der Bundesärztekammer und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
Eckart von Hirschhausen hat die Ergebnisse des Lancet Countdowns 2020 in diesem Video übersetzt und zusammengefasst. Er verdeutlicht darin, wie zentral dieses Thema für unsere Gesundheit ist, und was wir jetzt tun können, damit wir auch in Zukunft gesunde Menschen auf einer gesunden Erde vorfinden.
Können wir auch aus dem aktuellen Gesundheitsproblem der Corona-Pandemie etwas für den Klimaschutz lernen?
Oh ja, einerseits sehen wir gerade, dass Dinge, die in der Vergangenheit als in Stein gemeißelt galten, durchaus veränderbar sind. So war es in den vergangenen Monaten in den Städten vielerorts leiser und die Luft war sauberer. Andererseits haben wir gesehen, wie einschneidend solche globalen Ereignisse sein können. Der Klimawandel vollzieht sich zwar schleichender als die Pandemie. Aber die Auswirkungen werden ebenfalls gravierend sein. Deshalb ist es so wichtig, dass wir rechtzeitig und entschlossen etwas dagegen tun. Noch haben wir die Möglichkeit dazu, die Auswirkungen des Klimawandels in einem verträglichen Rahmen zu halten.
Prof. Dr. Annette Peters ist Direktorin des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Munich. Sie ist zudem Vorsitzende der NAKO Gesundheitsstudie.