Die Landwirtschaft von morgen
Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion hängen maßgeblich von Wetter und Klima ab. Mit dem Klimawandel müssen sie sich auf längere Dürrezeiten, mehr Hitze oder Starkregen einstellen. Ein neues Dialognetzwerk will sich nun mit 50 ausgewählten Praktiker:innen aus Landwirtschaft und Naturschutz der Zukunft der Landwirtschaft widmen.
Nicht nur auf den Brandenburger Böden haben die Traktoren in diesem Sommer mächtige Staubwolken aufgewirbelt. Hitze und Trockenheit waren bundesweit zu spüren – insbesondere für die Landwirtschaft. Mit dem Klimawandel verändern sich die Produktionsbedingungen für Getreideanbau und Viehzucht gewaltig. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wollen das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie das Bundesumweltministerium (BMUV) nun handeln. Sie stoßen einen Austausch zwischen Politik, Landwirt:innen und weiteren Akteuren aus dem Agrarbereich an. Erstmals treffen sich die Teilnehmer:innen am 1. und 2. Dezember 2022 in einem so genannten „Dialognetzwerk zukunftsfähige Landwirtschaft“. Darin wollen sie den bevorstehenden Transformationsprozess der Landwirtschaft diskutieren. Die Empfehlungen und Erfahrungen aus der Praxis sollen für künftige Rechtsetzungsvorhaben berücksichtigt werden. Im Fokus stehen dabei zunächst Ansätze und Wege zur Senkung von Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft sowie die Stärkung ihrer Resilienz im Zuge von Klimaveränderungen.
Was die Landwirtschaft heute leistet
Die Landwirtschaft hat insbesondere in den vergangenen rund 70 Jahren einen dramatischen Wandel erlebt. Kleine Betriebe weichen immer größeren. Diese bewirtschaften immer größere Flächen. Erntemengen steigen durch neue Anbaumethoden und den Einsatz künstlich hergestellter Düngemittel. Immer weniger Landwirte ernähren heute immer mehr Menschen. Während um 1950 etwa 2500 Kilogramm Weizen pro Hektar geerntet wurden, sind es heute rund 7300 Kilogramm, heißt es beim Informationszentrum Landwirtschaft. Doch die Landwirt:innen verdienen immer weniger an der Produktion ihrer Erzeugnisse.
Diese Entwicklungen haben gravierende Folgen: Um wettbewerbsfähig zu bleiben spezialisieren sich Betriebe auf wenige Produktionsgüter, um ihre Kosten zu senken. Dadurch werden Ackerflächen einseitiger bewirtschaftet. Artenreiche Wiesen und Weiden werden in Nutzfläche – zum Beispiel für Viehfutter – verwandelt und der intensive Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln führt zu einer Belastung des Grundwassers und der Luft. Lösungen zur Verringerung von Umweltauswirkungen und eine nachhaltige Transformation im Agrarsektor sind daher unerlässlich. Das neue Dialognetzwerk soll diesen Prozess künftig mit Landwirt:innen aus unterschiedlichen Betriebsformen und -ausrichtungen konstruktiv begleiten.
Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die Landwirtschaft
Mit Beginn der industriellen Revolution – vor etwa 200 Jahren – hat der vom Menschen verursachte massive Ausstoß von Kohlendioxid die Zusammensetzung der globalen Atmosphäre verändert. Der CO2-Gehalt in der Luft steigt rasant, das Klima wird wärmer und die Verfügbarkeit von Wasser verändert sich. Die Landwirtschaft trägt einerseits dazu bei, andererseits hat das veränderte Klima gravierende Folgen für sie selbst: Mit jedem zusätzlichen Zehntelgrad Celsius nimmt die Verdunstung am Boden zu. Die Böden werden also trockener und müssen öfter bewässert werden. Wärmeres Wetter verlängert auch die Vegetationsperiode von Pflanzen und zunehmender Hitzestress in den Sommermonaten beeinträchtigt besonders die Blühphase und Samen- oder Kornfüllung. Temperaturen von mehr als 30 Grad Celsius führen zu Qualitäts- und Ertragsverlusten bei Weizen und anderen Nutzpflanzen. Aber ausgedehnte Trockenperioden verändern auch die Ackerflächen. Bei einer geringeren Bodenfeuchte bilden Pflanzen tiefere Wurzeln aus, um an Wasser zu gelangen – sofern sie dazu auf Basis ihrer genetischen Ausstattung in der Lage sind. Sprosswachstum hingegen wird oftmals bei Trockenheit reduziert, was zu weniger Photosynthese und damit indirekt und direkt zu geringeren Erträgen führt. Aber auch die Zusammensetzung und Aktivität von Bodenorganismen wird durch Wassermangel beeinträchtigt und Nährstoffe sind nicht mehr so leicht für die Pflanzen verfügbar.
„Insgesamt lassen die Dienstleistungsfunktionen von Agrarökosystemen bei länger anhaltender Trockenheit nach und Böden werden anfälliger für Erosion, wenn wir Nutzpflanzen nicht anpassen und für die neuen Klimaverhältnisse angemessenen Pflanzenbau betreiben“, sagt Prof. Dr. Ulrich Schurr vom Forschungszentrum Jülich. Auch die Viehhaltung verändert sich mit den menschengemachten Klimaveränderungen. Hitze sorgt – wie bei uns Menschen – für einen höheren Energiebedarf der Tiere. Krankheitserreger können sich bei wärmeren Temperaturen besser entfalten, wodurch die Gesundheit und Produktivität beeinträchtigt wird. Neue Mechanismen müssen daher entwickelt werden, um die landwirtschaftliche Produktion an veränderte Bedingungen anzupassen und sich Umwelt- und Ressourcenschonend aufzustellen.
In enger Zusammenarbeit mit dem Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrums Hereon und dem Institut für Bio-und Geowissenschaften (Agrosphäre, IBG-3) des Forschungszentrums Jülich hat sich das Forschungsprojekt ADAPTER zum Ziel gesetzt, zur Klimaresilienz in der Landwirtschaft einen Beitrag zu leisten. Aus wissenschaftlich fundierten Daten etwa zur Bodenfeuchte und aus Klimasimulationen werden praxisgerechte Informationsprodukte abgeleitet und auf www.adapter-projekt.de bereitgestellt. Sie bieten Lösungsansätze und Entscheidungshilfen für landwirtschaftliche Betriebe . Denn in einem sich wandelnden Klima, müssen die Sorten, Fruchtfolgen und Anbauregionen künftig so ausgewählt werden, dass die Landwirtschaft nachhaltiger und klimaresilienter aufgestellt ist und besser vor Extremwetterereignissen geschützt wird.
Eine zukunftsfähige Landwirtschaft
Als größter Flächenverbraucher Deutschlands beeinflusst der Agrarsektor unsere Böden, Gewässer, Luft und die biologische Vielfalt. Rund fünf Prozent der Treibhausgasemissionen Deutschlands sind allein auf die Nutztierhaltung zurückzuführen, hat das Umweltbundesamt (UBA) erfasst. „Die Einbindung natürlicher Ökosysteme in die Landwirtschaft kann dabei helfen, die Auswirkungen auf unsere Umwelt zu minimieren, sagt Diana Rechid vom Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrums Hereon in Hamburg. So trägt etwa die Landnutzungsform der Agroforstwirtschaft dazu bei, dass Bäume und Sträucher mit Ackerflächen kombiniert werden und daraus ökologische Vorteils- und Wechselwirkungen entstehen. Dadurch kann etwa die Wasserspeicherfähigkeit der Böden deutlich verbessert werden und die Äcker sind zudem widerstandsfähiger gegenüber Erosion, Dürre- und Starkregenereignissen. Aber auch Mischkulturen, bei denen mehrere Pflanzenarten auf einer Fläche gleichzeitig wachsen, sind besser vor Extremwetter und Schädlingen geschützt und erhöhen zusätzlich die Biodiversität. Nicht zuletzt können Agroforst oder auch der Erhalt von Wiesen und Weiden dazu beitragen CO2 aus der Luft in Pflanzen und im Boden zu speichern.
Auf politischer Ebene soll zum Auftakt des neuen Dialognetzwerks das Praxiswissen von 50 ausgewählten Akteur:innen frühzeitig in die gesetzgeberische Arbeit der Bundesministerien einfließen. Neben Ansätzen zur Senkung der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft sollen insbesondere Strategien entwickelt werden, um in Zukunft – unter veränderten klimatischen Bedingungen – die landwirtschaftliche Produktion in Einklang mit natürlichen Ressourcen und funktionsfähigen Ökosystemen zu bringen. Eine öffentliche Beteiligung ist von Seiten der beiden beteiligten Ministerien allerdings nicht vorgesehen.