Klaus Wallmann

CO2-Speicherung unter der Nordsee: Chancen und Risiken

Die Speicherung von Kohlenstoffdioxid unter der Nordsee kann einen Beitrag zur Reduktion von schwer vermeidbaren Emissionen in Deutschland leisten. Die Umweltrisiken des Verfahrens können durch eine geeignete Regulierung minimiert werden, sagt Klaus Wallmann vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

Portraitbild Klaus Wallmann
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Klaus Wallmann
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GEOMAR

Laut dem jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC wird die Abscheidung von CO2 mit anschließender Speicherung im geologischen Untergrund (CCS) benötigt, um den globalen Temperaturanstieg auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Dennoch wurde CCS bisher nur begrenzt in großem Maßstab angewendet. Dies ist vor allem auf die hohen Kosten und den erheblichen Energieaufwand bei der CO2-Abscheidung an Industrieanlagen zurückzuführen.

In Europa wird CCS bisher nur in Norwegen in industriellem Maßstab angewendet. Dort wird CO2 in Gesteinsschichten unter dem Meeresboden eingebracht. Zurzeit werden weitere CO2-Speicher unter der norwegischen, dänischen, niederländischen und britischen Nordsee erkundet und erschlossen. Auch in Deutschland steigt seit neuestem die politische Wahrnehmung, dass die geplante Klimaneutralität bis 2045 ohne CCS nicht erreicht werden kann. CCS soll dabei besonders an Zementwerken und thermischen Abfallbehandlungsanlagen eingesetzt werden, an denen die CO2-Emissionen ohne den Einsatz von CCS nicht vollständig vermieden werden können. Das abgeschiedene CO2 soll dann überwiegend unter der Nordsee gespeichert bzw. deponiert werden.

Chancen der CO2-Speicherung unter der Nordsee

Seit 2021 untersuchen die Forschenden des GEOSTOR-Projekts vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, ob und wie Kohlenstoffdioxid unter der deutschen Nordsee im industriellen Maßstab gespeichert werden kann. Dabei wird den Fragen der Umweltrisiken, der Kosten, der Speicherüberwachung, der Meeresraumplanung und des rechtlichen Rahmens nachgegangen.

Die CO2-Speicherkapazität der Sandsteinschichten unter der Nordsee liegt bei insgesamt ca. 100 Milliarden Tonnen. Davon entfallen ca. 1.5 - 8.3 Milliarden Tonnen auf den deutschen Sektor der Nordsee. Dort können, laut Einschätzungen des GEOSTOR-Projekts, pro Jahr ca. 20 - 40 Millionen Tonnen CO2 sicher gespeichert werden, sobald der rechtliche Rahmen diese Möglichkeit eröffnet.

Umweltrisiken können minimiert werden

Die Umweltrisiken der CO2-Speicherung unter dem Meer wurden im Rahmen des europäischen ECO2-Projekts umfassend untersucht. Die Forschungsarbeiten liefen unter anderem in den aktiven offshore-Speichern Sleipner in der Nordsee und Snøhvit in der Barentssee. Dort wurden keine CO2-Leckagen gefunden, an einigen Stellen im direkten Umfeld der Speicher tritt jedoch Erdgas mit Raten von 1 - 10 Tonnen pro Jahr am Meeresboden aus. Es ist denkbar, dass dort in Zukunft mit ähnlichen Raten CO2 entweichen könnte. 

Feldstudien im Mittelmeer haben nachgewiesen, dass CO2 am Meeresboden zur Versauerung des Bodenwassers und der marinen Sedimente führen und dabei die dortige Artenvielfalt stark reduzieren kann. Davon sind nicht nur größere Tiere am Meeresboden, sondern auch kleine Organismen und selbst Mikroorganismen betroffen.

CO2-Freisetzungsexperiment am Boden der Nordsee
CO2-Freisetzungsexperiment am Boden der Nordsee
CO2-Freisetzungsexperiment am Boden der Nordsee
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GEOMAR

Ein Feldexperiment in der Nordsee hat allerdings gezeigt, dass das Bodenwasser dort infolge der CO2-Leckage nur gering versauert. Das liegt daran, dass im Nordseewasser ohnehin hohe CO2-Konzentrationen vorliegen und dass sich die Wassermassen durch schnelle Tide-Strömungen und den raschen Wasseraustausch mit dem Atlantik schnell erneuern. Selbst bei relativ hohen Leckageraten ist die Fläche am Meeresboden, auf der die Ökosysteme durch die Versauerung geschädigt werden, sehr klein. Die Speicherung von CO2 unter dem Meeresboden ist daher auch aus meeresökologischer Perspektive eine vertretbare Methode.

Die Feldstudien lassen vermuten, dass nur wenige Tonnen CO2 pro Jahr entweichen könnten. Diese Leckagen treten besonders an alten Bohrlöchern auf. Sie können durch eine geeignete Zementierung dieser Bohrlöcher verhindert werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Leckagen kommen kann, ist während der Betriebsphase am höchsten, da der Druck durch die CO2-Verpressungen ansteigt. Nach Schließung des Speichers klingt dieser Druckanstieg weitgehend ab, so dass wieder stabile Druckverhältnisse erreicht werden. In den folgenden Jahrhunderten löst sich das CO2 dann langsam im Formationswasser auf. 

Sobald das CO2 im Formationswasser gelöst ist, würden mögliche Leckagen vollständig zum Erliegen kommen, da die Antriebskräfte nicht mehr wirken können. Die möglichen Leckageraten (ca. 1 - 10 Tonnen pro Jahr) sind im Vergleich zu den CO2-Mengen, die insgesamt in einem Speicher eingebracht werden sollen (ca. 100 Millionen Tonnen) sehr gering. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass mehr als 99 Prozent des gespeicherten CO2 dauerhaft im Untergrund verbleibt. Durch die sorgfältige Auswahl von geeigneten Speicherstandorten und die stringente Regulierung der CO2-Speicherung unter der Nordsee können die Leckageraten und Umweltrisiken weiter minimiert werden.

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