Kann man sich auf die Klimaforschung verlassen?

Behauptung: "Wissenschaftler können ja nicht mal das Wetter in vier Wochen halbwegs verlässlich vorhersagen"

Behauptung: "Es ist unmöglich, seriöse Prognosen über das globale Wetter zu treffen - vom Klima ganz zu schweigen." Václav Klaus, ehemaliger Präsident der Tschechischen Republik


Fakt ist: Die Forschung kann künftige Klimaverhältnisse inzwischen relativ verlässlich vorhersagen
Antwort

Antwort: Weil die Atmosphäre ein chaotisches System ist, sind Vorhersagen für mehr als einige Wochen in der Tat schwierig. Die Klimaforschung jedoch schaut auf langfristige Änderungen, wobei das Wettergeschehen über größere Zeiträume hinweg gemittelt wird. So wird das chaotische Element reduziert – deshalb können computerbasierte Klimamodelle die künftige Entwicklung des Erdklimas inzwischen ziemlich verlässlich vorhersagen.

Diese Behauptung zielt eher auf Emotionen, denn auf Fakten. Zum einen sind (wie auch die Klimaforschung) die Wettervorhersagen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich präziser geworden. Zum anderen unterscheiden sich Wetterprognosen grundsätzlich von solchen über das Klima. Wichtig ist: Klimamodelle haben gar nicht den Anspruch, das Wetter taggenau vorherzusagen – sondern ihr Ziel ist, das mittlere Klima und die Statistik des Wetters zu prognostizieren.

Wetter und Klima sind sehr verschiedene Dinge: Wetter bezeichnet den Zustand der Atmosphäre und kurzfristige Veränderungen darin. Ein Temperaturrückgang um beispielsweise sieben Grad Celsius von einem Tag auf den anderen ist durchaus nicht ungewöhnlich. Klima hingegen ist der langfristige Durchschnitt des Wetters (üblicherweise über mindestens 30 Jahre gemittelt). Hier wären sieben Grad Differenz ein dramatischer Temperatursturz: Als die Erdtemperatur durchschnittlich um sieben Grad Celsius kühler war als heutzutage, lag beispielsweise New York unter einer mehr als eineinhalb Kilometer dicken Eisdecke.

Eine gute Analogie des Unterschiedes zwischen Wetter und Klima ist ein Schwimmbecken, das über einen Wasserschlauch langsam gefüllt wird: Der jeweilige Pegel ist das Klima; Wetter hingegen sind die Wellen, die entstehen, wenn Leute in das Becken springen. Vorhersagen über die exakte Höhe einzelner Wellen (also über das Wetter) sind sehr schwer. Aus einer längeren Beobachtung der Wellenhöhen aber lässt sich ableiten, wie hoch der Wasserpegel im Becken ist – und man kann ziemlich sicher sagen, wie hoch die Wellen schlagen werden, wenn mehr Wasser im Becken ist.

Dem Wasser, das aus dem Schlauch in den Pool strömt, entsprechen die Emissionen von Treibhausgasen in die Atmosphäre. Deren zunehmende Konzentration sorgt dafür, dass sich die Erde im Durchschnitt erwärmt – aber trotzdem werden wir weiterhin wechselndes Wetter haben (Wellen auf der Pool-Oberfläche), und dessen exakte Vorhersage ist weiterhin schwierig.

Die Atmosphärenmodelle der Klimaforschung berechnen sozusagen den durchschnittlichen Wasserpegel in dreißig, fünfzig oder hundert Jahren (woraus sich ableiten lässt, mit welchen Wellenhöhen dann zu rechnen ist) – aber sie berechnen eben nicht die Höhe einer einzelnen Welle an einem bestimmten Tag in hundert Jahren.

John Cook/klimafakten.de, Dezember 2012;
zuletzt aktualisiert: März 2022

Die Behauptung verkennt völlig den Unterschied zwischen Wetter, das chaotisch und unvorhersehbar ist, und dem Klima, dem über einen längeren Zeitraum hinweg gemittelten Wetter. Vorhersagen über das Wetter und über das Klima sind deshalb etwas Grundverschiedenes – und solche über das Klima durchaus vertrauenswürdig.

Das Erstellen von Klimaprognosen ist kein leichtes Unterfangen. Die Fortschritte, die auf diesem Gebiet in den vergangenen Jahrzehnten erzielt wurden, sind beträchtlich. Inzwischen können computerbasierte Klimamodelle ziemlich genau die Entwicklungen des Klimas bei bestimmten Randbedingungen vorhersagen (sie berechnen dabei stets viele mögliche Einzelverläufe und bilden dann einen wahrscheinlichen Durchschnittswert). Selbstverständlich aber sind zum Beispiel die konkreten Schwankungen einzelner, natürlicher Klimafaktoren – etwa die genaue Sonnenaktivität, kurzfristige klimatische Störungen wie El Niño oder auch Vulkanausbrüche – schwer bis gar nicht über längere Zeiträume vorherzusehen.

Dass Wetterprognosen heutzutage durchaus verlässlich sind, davon kann man sich selbst Tag für Tag einen Eindruck verschaffen. Beim Klima ist ein solcher Realitätscheck schwieriger – aber weil die Forschung nun schon seit Jahrzehnten Klimavorhersagen vorlegt, kann man damit beginnen, deren Qualität an der später eingetretenen Wirklichkeit zu überprüfen:

Die Hansen-Klimaprognosen von 1988

Schon in den 1980-er Jahren veröffentlichte ein Team um den Nasa-Klimaexperten James Hansen Vorhersagen zu  Temperaturtrends für mehrere Jahrzehnte im voraus (Hansen et al. 1988). Auf der Basis dreier Szenarien für die Emissionen an Treibhausgasen wurden drei verschiedene Verläufe der Erderwärmung prognostiziert.

Abbildung 1: Prognosen der Erderwärmung aus dem Jahr 1988 im Vergleich zu später real beobachteten Werten. Die schwarzen Kurven (durchgezogen, gestrichelt und gepunktet) zeigen ab dem Jahr 1988 (senkrechte graue Strichellinie) die Temperaturvorhersagen für drei Szenarien von Treibhausgasemissionen. Die blauen Kurven zeigen die späteren, tatsächlichen Temperaturen auf Basis verschiedener Datensätze. Die linke Skala zeigt die jährliche Änderung der mittleren Erdtemperatur; Quelle: Hausfather et al. 2019

Als wahrscheinlichste Entwicklung wurde damals das Szenario B bezeichnet – und tatsächlich kam dieses den späteren realen Emissionen am nächsten. Zwar überschätzten Hansen et al. die Erwärmung, vor allem weil sie Emissionen und Wirkung der Treibhausgase Methan und FCKW zu hoch angesetzt hatten. Insgesamt aber stimmte diese Prognose aus dem Jahr 1988 bemerkenswert gut mit späteren Messungen der realen Temperaturentwicklung überein (siehe Abbildung 1). Zwar gab es Abweichungen von einem Jahr zum anderen, doch dies ist nicht anders zu erwarten (Hansen et al. 2006Hausfather et al. 2019).

Die chaotischen Eigenschaften des Wetters überlagern zwar kurzfristig den Erwärmungstrend, doch die langfristige Entwicklung der Erdtemperatur ist – wie bereits diese jahrzehntealte Arbeit zeigt – gut vorhersagbar. Auch eine Prognose zur Erderwärmung aus dem Ersten IPCC-Sachstandsbericht von 1990 hat sich als "offenbar akkurat" erwiesen, wie eine rückblickende Analyse nach der Hälfte des Vorhersagezeitraums (Frame/Stone 2013) ergab. Weil inzwischen die Klimamodelle stark verfeinert wurden, dürften heute veröffentlichte Prognosen noch genauer sein.

Die Modellierung der Auswirkungen des Pinatubo-Ausbruchs

Der Ausbruch des philippinischen Vulkans Pinatubo im Sommer 1991 bot die Möglichkeit, einige wichtige Aspekte der Verlässlichkeit von Klimamodellen zu überprüfen. Zuvor war bereits lange bekannt gewesen, dass bei Vulkaneruptionen Aschepartikel (Sulfat-Aerosole) in die Atmosphäre geschleudert werden, die dort eine kühlende Wirkung entfalten – die sogenannte Kleine Eiszeit im Mittelalter auf der Nordhalbkugel beispielsweise wird vor allem auf eine Reihe großer Vulkanausbrüche zurückgeführt (Miller et al. 2012Brönnimann et al. 2019).

Abbildung 2: Tatsächlich beobachtete und simulierte globale Temperaturschwankung nach dem Pinatubo-Ausbruch - grün markiert ist die von Wetterstationen beobachtete Temperatur, in Blau Land- und Meerestemperaturen, rot verzeichnet ist das durchschnittliche Ergebnis der Modellierungen. Das Absinken der globalen Temperatur um rund 0,5 Grad Celsius ein Jahr nach der Eruption ist ziemlich genau getroffen, ebenso der folgende schrittweise Wiederanstieg (das Zickzack der kurzfristigen Schwankungen ist dabei normal); Quelle: Hansen et al. 2007.

Die Modelle simulierten ziemlich genau die weltweite Abkühlung von etwa einem halben Grad Celsius, die kurz auf den Pinatubo-Ausbruch folgte (siehe Abbildung 2). Auch die Rückkopplungseffekte etwa von Sonneneinstrahlung oder Wasserdampf, die in die Modelle eingeflossen waren, wurden so von der Wirklichkeit bestätigt (Hansen et al. 2007).

IPCC-Prognosen und die Realität

In einem Ende 2012 veröffentlichten Aufsatz haben drei Forscher:innen Temperaturprognosen des IPCC mit der Realität verglichen (Rahmstorf et al. 2012). Wie Abbildung 3 zeigt, lagen die bis Ende 2011 gemessenen Temperaturen sehr im Rahmen der Vorhersagen aus den Sachstandsberichten des Weltklimarats von 2001 und 2007.

Abbildung 3: Prognosen des Weltklimarats für die globale Temperaturentwicklung (als blaue Linien dargestellt sind Szenarien bzw. als blaue Fläche die Unsicherheitsspanne aus dem 2001er IPCC-Report, in grün Szenarien bzw. die Unsicherheitsspanne aus dem 2007er IPCC-Report) im Vergleich zu realen Messwerten (die rote Kurve zeigt einen geglätteten Durchschnittswert der Erdmitteltemperatur, der aus fünf globalen Datensätzen ermittelt wurde, die blass-orange Kurve stellt den ungeglätteten Durchschnitt dar, natürliche Schwankungen wie die Abkühlung nach dem Pinatubo-Ausbruch Anfang der neunziger Jahre und das starke El-Nino-Jahr 1998 sind hier deutlich zu erkennen); Quelle: Rahmstorf et al. 2012

 

Weitere Informationen zur Verlässlichkeit von Klimamodellen finden Sie in diesem separaten Faktencheck.

John Cook/klimafakten.de, Dezember 2012;
zuletzt aktualisiert: Februar 2022