Gibt es wirklich einen Klimawandel?
Behauptung: „Über 31.000 Wissenschaftler unterzeichnen Petition - Hypothese der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung ist falsch“
Behauptung: „Über 31.000 Wissenschaftler haben sich in den USA im ‚Global Warming Petition Project‘ gegen die politische Agenda der globalen Erwärmung zusammengeschlossen. Der wissenschaftliche Konsens – zu dem mehr als 9.000 promovierte Wissenschaftler gehören – unterstützt die Notwendigkeit von Kohlendioxid.“ epochtimes.de vom 17. Januar 2018
Antwort: Ziel dieser Petition ist es, durch eine eindrucksvoll große Zahl an Unterzeichnenden Zweifel zu säen am wissenschaftlichen Konsens der Fachwelt zum menschengemachten Klimawandel. Doch schaut man genauer auf die Unterschriften, dann stammt nur ein Bruchteil (lediglich 39, das entspricht 0,1 Prozent) von Personen, die wohl tatsächlich in der Klimaforschung aktiv sind. Und auch die Gesamtzahl von 31.000 ist winzig im Vergleich zur Zahl der Naturwissenschaftler:innen in den USA. Als Petition relativ weniger und fast ausschließlich fachfremder Personen sagt diese Initiative deshalb nichts aus über den tatsächlichen Stand der Klimaforschung.
Die Nachricht von einer Petition gegen den menschengemachten Klimawandel, hinter der angeblich Zehntausende Forscher:innen stehen, wird seit Jahren immer wieder von einzelnen Medien, Internet-Blogs oder auf Facebook und Twitter verbreitet. In den sogenannten Sozialen Netzwerken war sie zeitweise die meistverbreitete Meldung zum Klimawandel überhaupt. Die Nachricht geht zurück auf eine inzwischen zwei Jahrzehnte alte Initiative, das sogenannte "Global Warming Petition Project". Sie wurde 1998 von einem kleinen, privaten "Oregon Institute of Science and Medicine" gestartet und ist deshalb auch als "Oregon-Petition" bekannt.
Obwohl die Petition bereits Jahrzehnte alt ist, wirkt sie bis heute. So gilt die "Oregon-Petition" als jene Desinformations-Botschaft, die für Laien am eingängigsten ist und das Vertrauen in die Befunde der Klimaforschung besonders intensiv beschädigt. Dies ergab eine Studie US-amerikanischer und britischer Psychologen (van der Linden et al. 2017). Die rhetorische Funktionsweise der Petition ist klar: Eine große Zahl von Unterzeichnern und deren Titulierung als "Wissenschaftler" soll den Eindruck vermitteln, es gäbe in der Forschung einen relevanten Dissens zur Tatsache des menschengemachten Klimawandels.
Bevor wir die Unterschriften genauer betrachten, ein Blick auf die Petition selbst. Ihr Wortlaut umfasst nur zwei kurze Absätze:
"Wir drängen die US-Regierung, den Klimavertrag zurückzuweisen, der 1997 in Kyoto (Japan) geschlossen wurde, und dies mit allen ähnlichen Vorschlägen ebenso zu tun. Die vorgeschlagenen Begrenzungen von Treibhausgas-Emissionen würden der Umwelt schaden, den Fortschritt in Wissenschaft und Technologie hemmen sowie Gesundheit und Wohlergehen der Menschheit schädigen.
Es gibt keinen überzeugenden wissenschaftlichen Beweis, dass vom Menschen verursachtes CO2, Methan oder andere Treibhausgase heute oder in absehbarer Zukunft eine katastrophale Erwärmung der Erdatmosphäre oder eine Zerrüttung des Erdklimas bewirken. Stattdessen gibt es bedeutende Beweise, dass eine erhöhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre viele positive Effekte für die natürlichen Pflanzen und Tiere auf der Erde produziert."
Erstmals veröffentlicht wurde die "Oregon-Petition" wenige Monate nach dem historischen UN-Klimagipfel von Kyoto 1997 und drei Jahre, nachdem der Weltklimarat IPCC in seinem Zweiten Sachstandsbericht die Erkenntnisse vieler tausend Forscher:innen zum menschengemachten Klimawandel zusammengefasst hatte.
Die Petition hat kein wissenschaftliches Fundament
Doch anders als dem umfangreichen und durch unzählige Fachveröffentlichungen untermauerten IPCC-Report fehlt der Petition das wissenschaftliche Fundament. Als sie 1998 erstmals versandt wurde, war ihr lediglich ein Begleitbrief eines bekannten Klimawandel-Leugners beigelegt, des US-Physikers Frederick Seitz, außerdem ein Kommentar aus der konservativen Wirtschaftszeitung Wall Street Journal sowie eine kurze Forschungs-"Zusammenfassung". Für die Aussagen im ersten Absatz der Petition (Klimaschutz sei schlecht für Umwelt, Fortschritt und die ganze Menschheit) wurden damit keinerlei Belege oder wissenschaftliche Quellen geliefert – und sie sind in ihrer Pauschalität ja auch kaum belegbar. Und die Aussagen im zweiten Absatz (es gebe keine Beweise für negative Wirkungen von Treibhausgasen, im Gegenteil sei mehr CO2 sogar wünschenswert) widersprechen diametral grundlegenden Erkenntnissen jahrzehntelanger Klimaforschung.
Eine aktualisierte Version der Forschungs-"Zusammenfassung" ist auf der Petitions-Website veröffentlicht. Auf den ersten Blick, etwa von der typografischen Gestaltung her, wirkt das Dokument wie ein Aufsatz aus einer renommierten Fachzeitschrift – doch dies täuscht. Der Text erschien im Jahr 2007 im Journal of American Physicians and Surgeons (zu deutsch: Zeitschrift der Amerikanischen Ärzte und Chirurgen). Schon der Titel der Publikation macht klar, dass es sich dabei nicht um eine Fachzeitschrift aus dem Gebiet der Klimawissenschaften handelt, in der einschlägige Forscher ihre Aufsätze publizieren und wo mittels Begutachtung der Manuskripte durch Fachkollegen ("peer review") sichergestellt wird, dass sie wissenschaftlichen Qualitätsstandards entsprechen und keine groben Fehler enthalten. Stattdessen ist dieses Journal die Zeitschrift eines konservativen US-Ärztebundes. In der Fachwelt gilt sie als nicht-wissenschaftlich - beispielsweise lehnte es die US National Library of Medicine, die größte medizinische Bibliothek der Welt, mehrfach ab, die Zeitschrift in einen Index entsprechender Fachpublikationen aufzunehmen.
Wenig überraschend haben deshalb etliche Kritiker auf eine ganze Reihe von Fehlern in dieser sogenannten Forschungs-Zusammenfassung hingewiesen. Als "offensichtlich mängelbehafteten Artikel, der wenig Ähnlichkeit mit der wichtigen wissenschaftlichen Literatur hat", bezeichnete beispielsweise Michael MacCracken, ehemaliger Präsident der International Association of Meteorological and Atmospheric Sciences (IAMAS), den Artikel in einer detaillierten, 23-seitigen Widerlegung.
Fehlende Transparenz und Sorgfalt
Kritiker der Petition bemängeln außerdem, dass die Initiatoren der Petition offenbar keine große Sorgfalt walten ließen – weshalb Anzahl und Kompetenz der Unterzeichnenden sehr zweifelhaft seien. Beispielsweise habe das Oregon-Institut offenbar nicht gründlich die Identität und Qualifikation der Unterzeichnenden verifiziert. Als nämlich Journalisten nach Veröffentlichung der Petition die Unterschriften überprüften, stießen sie auf etliche Scherz-Namen: So stand beispielsweise ein Mitglied der britischen Pop-Gruppe Spice Girls auf der Liste ("Dr. Geri Halliwell") oder fiktive Charaktere aus den erfolgreichen TV-Serien M*A*S*H und Star Wars. Auch bei Überprüfungen der real klingenden Namen traten Ungereimtheiten zutage: So fand sich bei einer Reihe von ihnen keine Bestätigung für ihre tatsächliche Existenz oder den behaupteten akademischen Abschluss.
31.000 Unterschriften – das klingt viel, ist aber sehr wenig
Im Jahr 1998 erklärten die Initiatoren der "Oregon-Petition", diese habe mehr als 15.000 Unterschriften gefunden. Als sie 2008 erneut an die Öffentlichkeit gingen, sprachen sie von mehr als 31.000 "amerikanischen Wissenschaftlern", die das Papier unterschrieben hätten. Kurz zuvor hatte der IPCC seinen inzwischen Vierten Sachstandsbericht zur Klimaforschung veröffentlicht, und in den Medien war dazu die Zahl von rund 2.000 Autor:innen präsent. Die sehr viel höhere Zahl der angeblichen Unterschriften unter der "Oregon-Petition" sollte den Eindruck erwecken, dass wesentlich mehr Fachleute die Tatsache des menschengemachten Klimawandels bestritten als akzeptierten. Bei genauer Betrachtung jedoch löst sich dieser Eindruck in Luft auf.
Erstens nämlich finden sich unter den Unterzeichnern der "Oregon-Petition" kaum Fachleute für den Themenbereich Klimaforschung. Die Initiatoren listen auf ihrer Website auf, in welchen Wissenschaftsdisziplinen sie Unterschriften gesammelt haben. Genannt wird dort der Bereich "Atmosphäre, Erde und Umwelt", wozu Atmosphärenwissenschaften, Klimatologie, Meteorologie, Astronomie, Astrophysik, Geowissenschaften, Geochemie, Geologie, Geophysik, Geowissenschaften, Hydrologie, Umwelttechnik, Umweltwissenschaft, Forstwirtschaft und Ozeanographie gezählt werden. Hier dürften sich tatsächlich einige Fachleute für den menschengemachten Klimawandel finden, wenngleich Bereiche wie Astronomie oder Umwelttechnik nicht notwendigerweise etwas mit dem Thema zu tun haben.
Daneben jedoch haben die Initiatoren der "Oregon-Petition" laut ihrer Website auch Personen aus den folgenden Fachgebieten zugelassen: Computer und Mathematik (Informatik, Mathematik, Statistik), Physik und Raumfahrt (Physik, Kerntechnik, Maschinenbau, Luft- und Raumfahrttechnik), Chemie (Chemie, Chemieingenieurwesen), Biochemie, Biologie und Landwirtschaft (Biochemie, Biophysik, Biologie, Ökologie, Entomologie, Zoologie, Tierkunde, Agrarwissenschaften, Agrartechnik, Botanik, Ernährungswissenschaften), Medizin (Heilkunde, Medizin), Ingenieurwissenschaften und Allgemeinwissenschaft (Ingenieurwissenschaften, Elektrotechnik, Metallurgie, Allgemeinwissenschaft). Doch welche Sachkenntnis zu den Grundlagen des Klimawandel ist beispielsweise von einem Maschinenbauer, einer Nuklearingenieurin oder einem Elektroingenieur zu erwarten?
Jedenfalls stammen praktisch keine der Unterschriften unter der Oregon-Petition von Klimawissenschaftler:innen. Die Petitions-Website listet die (von Unterzeichnern selbst angegebenen) Qualifikationen auf: Bloße 39 stammten demnach aus der Klimatologie – also lediglich rund ein Tausendstel aller Unterzeichnenden und nur ein Bruchteil der Klimaforscher:innen, die an den regelmäßigen IPCC-Reports mitarbeiten. Aus dem breiteren Fachgebiet "Atmosphäre, Erde, Umwelt" sollen laut Petitions-Website zwar mehr als 3.800 der Unterschriften stammen – aber rund die Hälfte hiervon machten die Bereiche Geologie und Meteorologie aus. Dies waren damals durchgeführten Studien zufolge Fachbereiche, in denen die Zahl von Leugnern des Klimawandels vergleichsweise hoch lag (Doran/Zimmermann 2009). Und als die Zeitschrift Scientific American eine Zufallsauswahl von Unterzeichnenden aus dem weiteren Bereich der Klimaforschung überprüfte, gab ein Drittel der auffindbaren Personen an, sie würden die Petition nicht nochmal unterschreiben oder könnten sich gar nicht an sie erinnern.
Bei anderen Resolutionen gegen die Klimaforschung zeigte sich übrigens ein teils ähnliches Muster: Die Unterzeichnenden hätten eine "extrem niedrige" wissenschaftliche Aktivität im Fachgebiet; außerdem seien die allermeisten männlich und nahe dem oder bereits im Rentenalter (Caserini et al. 2021).
Zweitens schrumpft die eindrucksvoll klingende Zahl von 31.000 Unterschriften der Oregon-Petition drastisch in der Bedeutung, wenn man sie in Relation setzt.Im Jahr 2009 hat dies der Autor Brian Angliss in einem Beitrag auf dem Wissenschaftsblog Scholars & Rogues getan. Er hat grob überschlagen, wie sich denn die Menge der Anhänger der "Oregon-Petition" zur Gesamtzahl der US-amerikanischen Wissenschaftler:innen verhält – und dies ist seine Kalkulation ("OISM" ist das englische Kürzel für den Initiatoren der Petition, das "Oregon Institute for Science and Medicine"):
"Laut der OISM-Internetseite gilt jede Person, die einen Bachelor-, Master- oder Doktortitel in einem mit den Naturwissenschaften verwandten Fach hält, als Wissenschaftler. … Auf Grundlage dieser Informationen können wir die OISM-eigenen Kriterien verwenden, um zu bestimmen, wie viele Wissenschaftler es in den USA gibt und welcher Anteil dieser Wissenschaftler an der Oregon-Petition teilgenommen hat. Das US-Bildungsministerium ermittelt die jährliche Anzahl der Absolventen von höheren Bildungseinrichtungen seit den Schuljahren 1950/51 bzw. 1970/71 (je nach den gewünschten Informationen). Diese Daten sind im Digest of Education Statistics: 2008 abrufbar. Sie zeigen, dass es seit dem Schuljahr 1970/71 rund 10,6 Millionen Absolventen gegeben hat, die den Kriterien der ‚Oregon-Petition‘ für Wissenschaftler entsprechen. ...
Die OISM-Internetseite listet auf, wie viele Unterschriften von Wissenschaftlern in den einzelnen Kategorien vorliegen. Auf Grundlage der Anzahl von Absolventen und der laut dem OISM vorliegenden Zahl an Unterschriften lässt sich der Anteil von Wissenschaftlern (gemäß OISM-Definition), die die Oregon-Petition unterzeichnet haben, im Vergleich zur Gesamtzahl berechnen. Diese Ergebnisse werden in untenstehender Tabelle dargestellt.
Hier zeigt sich: Die OISM-Unterzeichner repräsentieren einen winzigen Bruchteil (ca. 0,3 %) aller Absolventen naturwissenschaftlicher Disziplinen in den Vereinigten Staaten, wenn man die OISM-eigenen Kriterien für Wissenschaftler anlegt."
Ein paar Jahre später hat sich Angliss dem Thema erneut gewidmet und - mit leicht aktualisierten Zahlen - diese Grafik erstellt. Sie führt anschaulich vor Augen, wie klein die Zahl von 31.000 Unterschriften eigentlich ist:
In der Gesamtheit der US-Akademiker mit einschlägigen Abschlüssen (blauer Kreis) machen die Unterzeichner der "Oregon-Petition" (roter Keil) nur einen winzigen Teil aus. Der Balken rechts schlüsselt die Fachdisziplinen der Unterzeichner auf - deutlich wird hier u.a. das starke Gewicht von Ingenieuren (grellblau); Grafik: ScholarsAndRogues.com
Fazit
Die sogenannte "Oregon-Petition" enthält also weder wissenschaftlich belegte Aussagen noch wurden die Unterzeichnenden sorgfältig überprüft. Vor allem aber ist der gezielt erweckte Eindruck falsch, dass die angeblich 31.000 Unterschriften Gewicht hätten. Unter ihnen finden sich nur extrem wenige Fachleute für Klimawandel. Die eindrucksvoll klingende Zahl von Personen stellt zudem nur einen winzigen Teil der US-amerikanischen Wissenschaftslandschaft dar.
Demgegenüber ist unter tatsächlichen Klima-Expert:innen, wie etliche Erhebungen zeigen, eine überwältigende Mehrheit (deutlich mehr als 90 Prozent) von der Realität des menschengemachten Klimawandels überzeugt. Und dieselbe, eindeutige Position vertreten unzählige Akademien der Wissenschaften und Wissenschaftsfachverbände aus aller Welt. Zum Teil wiederholen sie die Zustimmung zum Konsens in regelmäßigen Stellungnahmen.
G. P. Wayne/Michael K./ klimafakten.de; August 2010;
zuletzt aktualisiert: August 2021