Neue Studie fordert ambitioniertere Klimapolitik
Wie schaffen wir es in Deutschland, bis zum Jahr 2050 tatsächlich klimaneutral zu werden? Und was bedeutet das für unsere Gesellschaft in den kommenden Jahren? Für die Beantwortung dieser Fragen haben Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und die noch junge Stiftung Klimaneutralität jetzt eine Machbarkeitsstudie vorgelegt. Ihr Fazit: Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 ist realistisch. Die Klimapolitik müsste sich dazu jedoch massiv ins Zeug legen.
Die Studie, die von Prognos, dem Öko-Institut und dem Wuppertal Institut durchgeführt wurde, identifiziert dazu vier Handlungsfelder:
- Die Emissionen müssten hierzulande bis 2030 um 65 Prozent unter das Niveau von 1990 sinken. Anschließend müsse man komplett auf klimaneutrale Technologien umsteigen und damit 95 Prozent der Emissionen einsparen. Für die dann noch verbleibenden Rest-Emissionen komme nur eine Speicherung in Frage.
- Ein umfassendes Investitionsprogramm - vergleichbar mit dem so genannten „Wirtschaftswunder“ - müsse Erneuerbare Energien fördern, Verkehr und Wärmeversorgung elektrifizieren, den Gebäudebestand modernisieren und eine Wasserstoffwirtschaft für die Industrie aufbauen.
- Bis zum Jahr 2030 müsse das deutsche Klimaziel minus 65 Prozent der Treibhausgase betragen. Dazu seien unter anderem ein vollständiger Kohleausstieg nötig, 14 Millionen Elektroautos oder auch die Erhöhung der Gebäudesanierungsrate um 50 Prozent.
- Um diese Klimaziele zu erreichen, sei die nächste Legislaturperiode entscheidend. Es komme also entscheidend auf das Regierungsprogramm der nächsten Bundesregierung an, die Ende 2021 gewählt wird.
Die gute Nachricht der Studie lautet: Rund ein Drittel der nötigen Treibhausgas-Emissionen sind seit 1990 bereits erreicht worden. Deutschland ist also auf einem guten Weg. Allerdings liegt noch ein gutes Stück Weg vor uns. Nach Ansicht der Autoren ist er realisierbar, benötigt jedoch ein ambitioniertes Vorankommen.
Kurz vor Beginn des Wahlkampfjahres zur Bundestagswahl 2021 und der Wahl vieler Landesregierungen ist dies ein wichtiger Weckruf. Dass der Verkehrsbereich beispielsweise noch immer kaum etwas zur Einsparung von Treibhausgasen beiträgt, wird hier noch einmal mit Zahlen unterlegt. Auch, dass in der Landwirtschaft immer ein Rest an Emissionen bestehen bleiben wird.
Allerdings wird ein Appell an die Politik wohl kaum ausreichen, um die nötigen gesellschaftlichen Veränderungen herbeizuführen. Wie ist es beispielsweise um das Auseinanderklaffen amibitionierter Ziele und der energiepolitischen Realität bestellt? Und welche Rolle spielt weitere Forschung? Was wir in Deutschland – ebenso wie in Europa und im Rest der Welt – benötigen, ist die konsequente Fortführung einschlägiger Forschung: Welche Speicherpotenziale haben wir Deutschland? Mit welchen Technologien können wir der Atmosphäre aktiv Emissionen wieder entziehen? Welche natürlichen Kohlendioxid-Senken wie Wälder oder Seegraswiesen haben wir und wie rüsten wir diese für sich wandelnde klimatische Bedingungen? Diese und viele weitere Forschungsthemen müssen wir neben Appellen an die Politik ambitioniert vorantreiben. Hier weitere Forschungsfelder zu adressieren, wäre ein weiterer guter Aspekt in der neuen Studie gewesen. Ebenso die Frage nach Wegen einer zügigen Implementierung von Forschungsergebnissen.
Denn auch das gehört zu der positiven Kernaussage, dass es noch nicht zu spät ist, um den Klimawandel in beherrschbaren Grenzen zu halten: Noch können wir etwas tun! Forschung wird dabei eine Schlüsselrolle spielen.