13.09.2022
Roland Koch

„Kommunen sollten Klimaschutz und Anpassung integriert umsetzen“

Starkregen, Hitze, Trockenheit - die Kommunen in Deutschland müssen sich immer dringender auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten. Gleichzeitig schlummern in ihnen aber auch große Potenziale für die Minderung klimaschädlicher Emissionen. Ein Wissenschaftler:innen-Team vom Climate Service Center Germany (GERICS) hat dieses Zusammenspiel nun genauer betrachtet.

Herr Bender, die Folgen des Klimawandels sind auch in Deutschland immer deutlicher zu spüren. Anpassungsmaßnahmen werden also auch hierzulande immer wichtiger. Sie haben in einem Wissenschaftler:innen-Team jetzt untersucht, welche Rolle die Kommunen dabei spielen. Warum?

Steffen Bender: Die Folgen des Klimawandels sind schon heute in einigen Regionen Deutschlands deutlich zu spüren. Die bodennahe Lufttemperatur ist beispielsweise im Jahresmittel um gut 1,6 Grad Celsius im Vergleich zum Jahr 1881 gestiegen. Starkregenereignisse sind regional häufiger und intensiver geworden. Die Meeresspiegel an Nord- und Ostsee steigen. Diese Folgen betreffen immer bestimmte Regionen und damit auch Kommunen. Somit müssen sich auch immer mehr Kommunen mit den Folgen extremer Wetterereignisse und schleichender Veränderungen auseinandersetzen.

Herr Groth, was genau bedeutet das für die Kommunen?

Markus Groth: Es wird immer wichtiger, mögliche Risiken und Schäden zu minimieren. Darüber hinaus sind Kommunen von den Folgen des Klimawandels unterschiedlich betroffen. Deshalb müssen sie sich auch mit verschiedenen Anpassungsmaßnahmen darauf einstellen. Die einen benötigen Hochwasser- und Überflutungsschutz, die anderen Bewässerungssysteme, wieder andere neue Städtebaukonzepte. Wir wollten zunächst einmal einen Überblick über bestehende Maßnahmen und Konzepte geben. Aber es geht dabei nicht nur um das Thema Anpassung. All diese Anpassungsmaßnahmen müssen auch mit Klimaschutzkonzepten einhergehen und abgestimmt sein. Denn in den Kommunen sind auch große Potenziale für Emissionsminderungen vorhanden.

Welche Kommunen haben Sie untersucht?

Steffen Bender: Wir haben in unserer Studie am Climate Service Center Germany exemplarisch über 60 kommunale Klimaschutz- beziehungsweise Klimaschutzteilkonzepte sowie Anpassungsstrategien deutscher Städte ausgewertet. Das ist aus unserer Sicht eine gute Basis, um einerseits eine Analyse bestehender Maßnahmen und Konzepte zu erstellen. Andererseits können wir damit auch Vergleiche anstellen und Good Practices zeigen. Das haben wir in Tabellenform aufbereitet. So ist es auch leichter nachvollziehbar, welche möglichen Synergien und Konflikte zwischen Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen auftreten können.


Was meinen Sie mit Synergien und Konflikten?  

Steffen Bender: Nehmen wir als Beispiel einmal die Begrünung von Dächern in Kombination mit einer Solaranlage. Die Synergieeffekte sind, dass eine Fläche gleich mehrfach genutzt wird, die Dächer zur Wärmedämmung beitragen, Regenwasser zurückhalten und speichern, die Biodiversität in der Kommune erhöhen und einiges mehr. Die Solaranlagen erzeugen erneuerbare Energien, schützen die Begrünung vor zu viel Sonneneinstrahlung und schaffen durch Teilverschattung unterschiedliche Lebensräume auf dem Dach. Der Clou: Die Begrünung kann durch die Verdunstung die Solaranlagen kühlen und somit dafür sorgen, dass sich die Module nicht zu stark aufheizen, was wiederum eine Ertragsminderung bei Hitze vermeidet. Auf der anderen Seite muss die Tragkraft der Dächer neu berechnet und ein möglicher Denkmalschutz beachtet werden. Darüber hinaus entsteht neuer Pflegeaufwand für die zusätzlichen Grünflächen.

Porträt Steffen Bender
Porträt Steffen Bender
Apl.-Prof. Dr. Steffen Bender vom Climate Service Center Germany (GERICS)
©
GERICS
Dr. Markus Groth
Dr. Markus Groth
Dr. Markus Groth vom Climate Service Center Germany (GERICS)

Markus Groth: Auch die Aushandlung über das Verhältnis der Fläche von Solaranlagen zur Begrünung sowie die Koordinierung der bei der Herstellung des Solargründaches erforderlichen unterschiedlichen Gewerke erzeugt Mehraufwand. All das muss mitgedacht werden, wenn wir künftig auch in den Kommunen verstärkt Klimaschutz, Anpassung an die Folgen des Klimawandels und Nachhaltigkeit zusammen umsetzen wollen. Nur so lässt sich die notwendige Transformation hin zu einer ressourcenschonenden, nachhaltigen, klimaneutralen und klimaangepassten Gesellschaft erreichen.

Wie weit sind die Kommunen dabei?

Markus Groth: Deutsche Kommunen engagieren sich schon seit langem im Klimaschutz und bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Eine Befragung der Bertelsmann-Stiftung zeigt beispielsweise, dass fast 90 Prozent der Kommunen ein Klimaschutzkonzept haben. Immer öfter werden die Bemühungen im Bereich Klimaschutz durch Anpassungskonzepte ergänzt. Letztere dienen oft als Grundlage für die Planung einer klimawandelgerechten Stadt. Die Kommunen sind also grundsätzlich auf einem guten Weg. Unser Blick in die kommunale Praxis hat gezeigt, dass Strategien und Konzepte zu Klimaschutz und Anpassung vielerorts bereits einen konkreten Handlungsrahmen für Politik und Verwaltung liefern. Politiker:innen haben damit Werkzeuge an der Hand, um Städte und Regionen robust gegenüber Klimafolgen zu machen sowie Klimaschutz und auch die Eigenvorsorge der Bevölkerung zu stärken. Allerdings sind eine integrierte Betrachtung und eine eng abgestimmte Umsetzung der unterschiedlichen Ansätze noch selten.

Wie ließe sich diese Lücke schließen?

Steffen Bender: Neben der Schaffung eines stärkeren politischen und gesellschaftlichen Bewusstseins wäre es auch wichtig, den Klimawandel möglichst früh in Planungsprozessen zu berücksichtigen. So kann beispielweise die Entwicklung und Umsetzung von Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen im Rahmen von ohnehin anstehenden Sanierungs- oder Stadtentwicklungsmaßnahmen erfolgen. Sofern bereits ein Klimaschutzkonzept vorliegt, sollte dieses bei der Erarbeitung eines ergänzenden Klimaanpassungskonzeptes mitberücksichtigt werden. Auch Querbezüge sollten hergestellt werden. Liegen noch keine Konzepte vor, ist eine integrierte Betrachtung von Klimaschutz und Anpassung von vorneherein anzustreben, um mögliche Konflikte und Synergien frühzeitig identifizieren zu können.

Ist dies ausschließlich eine hoheitliche Aufgabe?

Markus Groth: Teils, teils. Nehmen wir das Beispiel der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Dies sind mitunter anspruchsvolle Querschnittsaufgaben, deren Erfüllung oftmals eine staatliche Aufgabe ist. Insbesondere wenn es darum geht, zu warnen, zu informieren und die notwendigen Daten bereitzustellen. Doch in der Umsetzung von Maßnahmen sind auch viele andere Akteure in der Verantwortung, was ein enges und abgestimmtes Zusammenspiel von Stadtverwaltung, städtischen Beteiligungsunternehmen, lokaler Wirtschaft und den Bürger:innen notwendig macht. Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist also mehr als eine hoheitliche Aufgabe. Viele Maßnahmen beruhen auch auf der Eigeninitiative von Bürger:innen oder Gewerbetreibenden. Diese müssen deshalb umfangreich und wiederkehrend informiert und motiviert werden. Zunehmend wichtiger wird dabei auch die Weiterbildung von Entscheidungsträger:innen, damit sie selbst die Qualität und Verlässlichkeit der verfügbaren Informationen und Services einschätzen können.

Welche Rolle spielt dabei die von Ihrem Autor:innen-Team erstellte Studie?

Steffen Bender: Wir wollen Verantwortlichen aus Politik und kommunaler Stadtverwaltung, aber auch Bürger:innen und Entscheidungsträger:innen in Unternehmen konkrete Anregungen für den künftigen Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels sowie insbesondere für eine zielführende Kombination von Klimaschutz und Anpassung geben.

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