21.07.2022
Kilian Kirchgeßner

Klimafreundlich fliegen: Woran die Forschung tüftelt

Neue Flugzeugmodelle, synthetische Alternativen zum Kerosin, klimaschonende Routen zum Zielflughafen: Forscherinnen und Forscher setzen an vielen Stellen an, um den Luftverkehr umweltfreundlicher zu gestalten. Doch das ganz emissionsfreie Fliegen wird auf absehbare Zeit wohl ein Traum bleiben.

Wenn Markus Fischer zum Hangar kommt, erwartet ihn nicht selten etwas Neues: Mal zeigen ihm die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ein neues elektrisches Antriebskonzept, mal haben sie eine zündende Idee für den Wasserstoff-Antrieb. Fischer ist Bereichsvorstand für die Luftfahrt am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Forscherinnen und Forscher, die er an Standorten im ganzen Land trifft, tüfteln für den Luftverkehr der Zukunft. „Es ist ungeheuer spannend, diese Entwicklung direkt in den Laboren und Hangars zu verfolgen“, sagt der Ingenieur. „Wir befinden uns in einer Ära der Transformation, die für die Luftfahrt so tiefgreifend ist wie zuletzt in den 1950er Jahren, als das Jetzeitalter begann“.

Nun soll die Luftfahrt, ähnlich wie der Verkehr auf den Straßen, klimaverträglich werden. Dafür muss die Wissenschaft große technische Herausforderungen meistern. Allein unter dem Dach des DLR sind 30 Institute und Einrichtungen mit dieser Mammutaufgabe befasst.

Die Grafik des DLR zeigt, mit welchen Technologien der CO2-Ausstoß im Luftverkehr um wieviel verringert werden kann: Kombiniert werden dabei neue Antriebe, regeneratives Kerosin und Wasserstoff.
Die Grafik des DLR zeigt, mit welchen Technologien der CO2-Ausstoß im Luftverkehr um wieviel verringert werden kann: Kombiniert werden dabei neue Antriebe, regeneratives Kerosin und Wasserstoff.
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DLR

Große Klimawirkung – auch durch Effekte jenseits des CO2

Wie eine Studie unter Beteiligung des DLR 2020 zeigte, trägt der globale Luftverkehr rund 3,5 Prozent zur Klimaerwärmung bei. Noch stärker als der CO2-Ausstoß durch Kerosin fallen  dabei die sogenannten Nicht-CO2-Effekte ins Gewicht – beispielsweise die erderwärmende Wirkung von Kondensstreifen-Zirren. Die aus Kondensstreifen gebildeten Zirren sind Eiskristall-Wolken, die insbesondere zur Nachtzeit die Wärmeabstrahlung von der Erde in den Weltraum vermindern und dadurch zur Erwärmung der Atmosphäre beitragen. Weitere klimarelevante Emissionen, die beim Fliegen entstehen, sind Stickoxide, Wasserdampf, Ruß und Aerosole.

Manche Passagiere quält die „Flugscham“, sie kompensieren ihre Emissionen bei Unternehmen wie atmosfair. Der freiwillige Ablasshandel ändert aber nichts daran, dass jeder Flug die Umwelt belastet. Wie also lässt sich die Luftfahrt insgesamt klimafreundlicher machen?

Eine grüne Strategie für die Luftfahrt

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat den Forschungsbedarf für das emissionsfreie Fliegen bis 2050 in einer Luftfahrtstrategie umrissen. Das Konzept des DLR beruht auf vier Säulen: Bei den ersten beiden Säulen geht es um die Entwicklung neuer Flugzeug- und Antriebskonzepte in Verbindung mit nachhaltigen Brennstoffen, wie synthetisches Kerosin, Kerosin aus Biomasse oder auch Wasserstoff. Die dritte Säule hat mit simulationsbasierten Werkzeugen zu tun, mit denen sich die Entwicklung, aber auch die effiziente Nutzung von Flugzeugen verbessern lassen. In der vierten Säule wird erforscht, wie sich der Flugverkehr klimafreundlich führen lässt – etwa, indem Piloten jene besonders klimasensitiven Regionen, in denen sich Kondensstreifen-Zirren entwickeln können, gezielt umfliegen. „Wir haben errechnet, dass sich die klimaschädlichen Wirkungen auf diese Weise zwischen 10 und 50 Prozent reduzieren lassen“, sagt Markus Fischer. Das sei ein starker Hebel, der schnell einsetzbar wäre. „Diese vier Säulen sollen zusammen ans Ziel führen, an allen wird parallel gearbeitet“, sagt DLR-Experte Markus Fischer.

An einer davon arbeiten Dirk Schär und Tobias Sontheimer. „Wir entwickeln ein Verfahren, mit dem sich Alternativen zum konventionellen Kerosin nachhaltig und ökonomisch herstellen lassen“, sagt Sontheimer, der beim Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie die Strategieabteilung leitet. „CARE-O-SENE“ haben die beteiligten Projektpartner ihren Ansatz lautmalerisch genannt.

Neue Treibstoffe und intelligente Routenführung

Mit dabei ist der Chemie- und Energiekonzern Sasol aus Südafrika. Seit mehr als 70 Jahren beschäftigt sich die Firma mit der sogenannten Fischer-Tropsch-Synthese: ein Verfahren, bei dem ursprünglich aus Kohle ein flüssiger Treibstoff entstand. Doch es geht auch ohne Kohle. „Der Vorteil ist, dass die Fischer-Tropsch-Technologie unabhängig von den Ausgangsstoffen funktioniert“, sagt Schär. Denn synthetische Treibstoffe lassen sich auch aus CO2 herstellen, das zum Beispiel aus der Luft gewonnen oder aus der Zementfabrikation entnommen wird. Wichtige Voraussetzung dafür ist ein Katalysator, der Synthesegas in flüssigen Treibstoff verwandeln kann. Besonders interessant ist diese Technik gerade für Anwendungen wie die Luftfahrt, die sich schwer auf anderem Wege dekarbonisieren lassen.

Allerdings sind die Katalysatoren bislang ineffizient; der Syntheseprozess benötigt viel Energie. Da setzt CARE-O-SENE an: Die Projektpartner arbeiten an einem neuartigen Katalysator, durch den das Fischer-Tropsch-Verfahren mit der gleichen Energie eine Ausbeute von 80 Prozent ermöglicht. 2025 soll er einsetzbar sein, damit die vorhandene Flotte an Passagierjets bald klimafreundlicher betankt werden kann – sobald auch die Produktionskapazitäten geschaffen wurden. Die synthetischen Treibstoffe dürften damit wesentlich früher einsatzbereit sein als neuartige Flugzeuge und alternative Antriebstechnologien.

Ein Rest von Emissionen bleibt

Doch eine emissionsfreie Luftfahrt, räumt das DLR in seiner Strategie ein, sei ein „ideales Ziel“. Man nähere sich diesem Ziel aber stetig an: Während ein Airbus A340 aus den 1990er Jahren noch 3,5 Liter Kerosin pro Sitzplatz auf 100 Kilometer verbraucht habe, benötige ein A319 neo aus dem Jahr 2015 nur noch 1,9 Liter – und Konzeptflugzeuge des DLR schaffen es bereits auf 1,1 Liter.

Wenn Markus Fischer die Flugzeuge der Zukunft sehen will, schaut er sich die virtuellen Konzepte  an. „Wir hinterfragen gerade alles, was bislang als Standard galt. Es bedarf heute mehr einer Revolution als einer Evolution im Luftverkehr“, sagt er: „Wie wollen wir in Zukunft eigentlich fliegen? Wie sehen Flugzeuge aus? Wie lange müssen sie in der Luft bleiben? Welche Brennstoffe nehmen wir für welchen Einsatzzweck?“ Das sind große Fragen für die Forschung. Markus Fischer sieht die Herausforderung positiv: „Da hat sich ein gewaltiger Freiraum für gute Ideen vor uns aufgetan.“

Standbild aus dem Film des DLR: Drei futuristische Flugzeuge über den Wolken bei niedrig stehender Sonne (Grafik)
EX­ACT – Kon­zept­stu­die für kli­ma­neu­tra­les Flie­gen der Zu­kunft (DLR-Film)
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Eine Graphik, die zeigt, wie der Brennstoffverbrauch beim Fliegen über die Zeit reduziert werden konnte.
Eine Graphik, die zeigt, wie der Brennstoffverbrauch beim Fliegen über die Zeit reduziert werden konnte.
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DLR
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