Fällt in Dubai die Brandmauer?
Die Klimakrise produziert täglich neue Horrormeldungen: Überschwemmungen, Stürme und Dürren. Doch noch ließe sich die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad stoppen. Dafür müssen an der UN-Klimakonferenz in Dubai die richtigen Maßnahmen vereinbart werden.
Am Donnerstag nächster Woche beginnt in Dubai die 28. UN-Klimakonferenz, auch „COP28“ genannt. Dabei handelt es sich um eine wichtige COP, da die Länder zum ersten Mal eine „globale Bestandesaufnahme“ verabschieden werden, die zeigen soll, ob die Welt auf einem Pfad ist, um die Ziele des Paris Abkommens zu erreichen. Schon jetzt ist klar, dass dies nicht der Fall ist. Ein aktueller Bericht des UN-Umweltprogramms Unep zeigt, dass die Welt mit den bestehenden Klimaplänen der Länder auf eine Erwärmung von 2,5 bis 2,9 Grad zusteuert und nicht auf „deutlich unter zwei Grad“ oder gar 1,5 Grad. Doch bei dieser Feststellung kann es nicht bleiben, denn die Bestandesaufnahme soll ja dazu dienen, die Klimapläne der Länder nachzuschärfen, wenn sonst die Ziele des Paris Abkommens verfehlt werden.
Hier wird erwartet, dass sich die Länder auf ein „Energiepaket“ einigen, das eine Verdreifachung der Kapazität der Erneuerbaren und eine Verdoppelung der Verbesserungsrate bei der Energieeffizienz bis 2030 umfasst. Zusätzlich will der designierte Präsident von COP28, Sultan Al Jaber, die Öl- und Gaskonzerne der Welt dafür gewinnen, ihre Methanemissionen bis 2030 um drei Viertel zu senken. Mit diesen drei Maßnahmen ließen sich 80 Prozent der zusätzlichen Emissionsreduktionen erzielen, die für einen 1,5-Grad-Pfad erforderlich sind, wie die Internationale Energieagentur ausgerechnet hat. Dass diese drei Ziele in Dubai verabschiedet werden, ist zuletzt wahrscheinlicher geworden, da Chinas Präsident Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden sich bei ihrem Treffen letzte Woche ausdrücklich zu diesen Zielen bekannt haben.
Das „Energiepaket“ könnte auch etwas zur zukünftigen Rolle von fossilen Energieträgern, also Kohle, Öl und Gas, beinhalten. Viele Länder wie die EU wollen hier festhalten, dass der Verbrauch von allen fossilen Energieträger letztlich enden muss. Doch die aktuelle geopolitische Lage mit Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten könnte diesen Plan vereiteln, denn für viele Länder ist zumindest kurzfristig der Zugang zu Energie – auch fossiler – absolute Priorität. Das Thema wird dennoch sehr viel Aufmerksamkeit insbesondere von Umweltorganisationen bekommen, für die ein Bekenntnis zum Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern große symbolische Bedeutung hat. Dies gilt umso mehr, da Al Jaber nicht nur die COP präsidieren wird, sondern gleichzeitig Chef von Adnoc ist, dem staatlichen Öl- und Gaskonzern der Vereinigten Arabischen Emirate. Wegen dieser Konstellation fürchten viele, dass Al Jaber den Interessen der Fossilkonzerne zu viel Raum einräumt.
Beim schwierigsten Thema könnte es hingegen hilfreich sein, dass Al Jaber aus einem „Entwicklungsland“ kommt, das dank Öl sehr wohlhabend geworden ist: beim Geld. Doch zuerst die gute Nachricht: Im Jahr 2009 hatten die Industriestaaten versprochen, die Entwicklungsländer von 2020 bis 2024 mit jährlich 100 Milliarden Dollar zu unterstützen und haben das im Jahr 2022 wahrscheinlich auch erreicht, wie Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen. „Damit ist der Druck aus dem Kessel, sodass in Dubai über langfristige Finanzziele nach 2025 sowie strukturelle Reformen des internationalen Finanzsystems gerungen werden kann, ohne dass es zu akuten Zerwürfnissen kommen muss“, sagt daher Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ. Schwarze hat zudem zwei der drei Finanzthemen genannt, die bei COP28 wichtig werden: Die Frage wie es ab 2025 mit den 100 Milliarden weitergeht und die Frage wie ärmere Länder in die Lage versetzt werden, die Erneuerbaren schnell auszubauen. Die Industriestaaten und China sind hier auf einem guten Weg, aber in den meisten Entwicklungsländern sind die Kapitalkosten zu hoch, um die Erneuerbaren im nötigen Tempo auszubauen. Das dritte Finanzthema ist schließlich der neue Fonds für Verluste und Schäden infolge der Klimaerwärmung. Der Fonds wurde letztes Jahr beschlossen, hat aber noch kein Geld.
Bei allen drei Themen steht eine Frage im Fokus: Wer soll diese Gelder bereitstellen, nur Industrieländer oder auch Entwicklungsländer? Aus deutscher und europäischer Sicht ist die Antwort klar: Außenministerin Annalena Baerbock verlangt, dass „Staaten, die mit fossilen Energien viel Geld verdient haben, wie die Golfstaaten, oder Staaten wie China, die in den letzten Jahren große Wachstumsraten erzielen konnten und die zu den größten Verursachern von Treibhausgasen gehören, ebenso einzahlen.“ Dass sie das noch nicht tun liegt an der UN-Klimakonvention. Diese wurde 1992 am Erdgipfel in Rio de Janeiro verabschiedet und trat zwei Jahre später in Kraft. Die Konvention legt fest, dass die Industriestaaten in Anhang 2 die Entwicklungsländer bei der Vermeidung von Emissionen und der Anpassung an die Klimaerwärmung finanziell unterstützen müssen. Daraus schließen die Entwicklungsländer, dass es für sie keine Verpflichtung gibt, Geld zu geben.
Franz Perrez, der frühere Leiter der Schweizer Delegation bei den UN-Klimakonferenzen, sagt zu den Anhängen: „Es war damals nicht die Absicht, die Liste der Industriestaaten abschließend festzulegen. Der Anhang sollte dynamisch sein und ergänzt werden. Dazu gab es immer wieder Vorschläge, aber diese sind stets gescheitert.“ Aus diesem Grund gibt es mittlerweile „Entwicklungsländer“, die sowohl höhere Pro-Kopf-Emissionen als auch ein höheres Pro-Kopf-Einkommen haben als mindestens drei Industriestaaten. Gemäß dem britischen Thinktank ODI trifft dies auf sieben „Entwicklungsländer“ zu: Israel, Südkorea, Saudi-Arabien, Chile, Katar, Singapur und die Vereinigten Arabischen Emirate – den Gastgeber der diesjährigen Klimakonferenz. ODI kommt daher zum Schluss: „Angesichts ihrer Zahlungsfähigkeit und ihrer historischen Verantwortung für den Klimawandel, gibt es gute Gründe dafür, dass diese sieben Länder jetzt einen Beitrag zur Klimafinanzierung leisten.“ Und hier könnte sich der Reichtum der Emirate als nützlich erweisen. Sollten diese auch Geld bereitstellen, kann in die Brandmauer zwischen Industrie- und Entwicklungsländern vielleicht eine Tür eingebaut werden.